Technicum–Technikum. Doppelgründung 1865/67
Die Hochschule Mittweida feiert in den Jahren 2015 bis 2017 mit einer Jubiläumsperiode die Etablierung einer technischen Lehranstalt vor 150 Jahren. Der doppelte Start ihrer Vorläufer ist mit zwei Gründerpersönlichkeiten verbunden:
Wilhelm Heinrich Uhland und Carl Georg Weitzel.
Uhland wurde am 11. Januar 1840 als Sohn eines Sägemühlenbesitzers in Nordheim (Württemberg) geboren und ließ sich zum Maschineningenieur ausbilden. Nach Tätigkeiten in mehreren Maschinenfabriken in Deutschland nahm er im November 1864 in Mittweida eine Stellung als Ingenieur in der Maschinenfabrik Oskar Rißmann in der Bahnhofstraße an - gegenüber dem heutigen Standort des Zentrums für Medien und Soziale Arbeit. Ab Dezember 1864 hielt er im Mittweidaer Handwerkerverein Vorträge über den "Bau von Dampfmaschinen". Im Mai 1865 gründete er mit Unterstützung des Handwerkervereins im Theaterhaus Mittweida das erste Technicum in Mittweida. Dieses Uhlandsche Technicum konnte sich jedoch in Mittweida zunächst wirtschaftlich nicht etablieren. Uhland übersiedelte Ende April 1867 nach Frankenberg und gründete dort das "Technikum zu Frankenberg".
Der aus Mannheim stammende Ingenieur Carl Georg Weitzel führte als Mitglied des Uhlandschen Lehrerkollegiums das ursprüngliche Gründungsprojekt in Mittweida fort und eröffnete am 7. Mai 1867 mit der Unterstützung lokaler Persönlichkeiten das "Technikum Mittweida". Diese von ihm als private Ausbildungsstätte erfolgreich etablierte Einrichtung zur Ausbildung von Maschinenbau-Ingenieuren zog schon bald zahlreiche Studierende an. Bereits um die Jahrhundertwende war das „Technikum Mittweida" eine der größten privaten Lehreinrichtungen in Deutschland. Sachsen war zu dieser Zeit eines der führenden Länder auf dem Gebiet des Maschinenbaus, es besaß 1870 das dichteste Eisenbahnnetz aller deutschen Staaten.
Carl Georg Weitzel erkannte, dass die Industrie neben qualifizierten Arbeitern und Meistern einen mit der industriellen Praxis vertrauten und verbundenen Ingenieur suchte. Das Ringen mit der offiziellen Bildungspolitik über die formale Positionierung von Lehre und Abschlüssen bestimmte die kommenden Jahrzehnte.
Die Ausbildung begann im Jahre 1867 mit 17 Studierenden, bereits 1873 stieg ihre Zahl auf 185 an, so dass die bisher gemieteten Räumlichkeiten nicht mehr ausreichten. Carl Georg Weitzel gelang es, trotz erheblicher finanzieller Schwierigkeiten, mit dem Vorderhaus des späteren Hauptgebäudes und heutigen „Carl-Georg-Weitzel-Baus", ab 1874 ein erstes eigenes Unterrichtsgebäude nutzen zu können.
Zu den weitsichtigen Entscheidungen des Gründers gehörten die Einrichtung von Laboratorien für praktische Übungen und die Einführung des Unterrichtsfaches „Elektrotechnik" im Jahre 1884. Zwei Jahre später gehörte zur Ausstattung des Hörsaals für Physik eine elektrische Beleuchtungsanlage zu Demonstrationszwecken, und 1890 entstanden drei neue Säle für die Elektrotechnische Abteilung.
Die Verdienste des Gründers des „Technikums Mittweida“, Carl Georg Weitzel, würdigte im Jahre 1892 der Stadtrat von Mittweida mit der Verleihung der Ehrenbürgerschaft und der sächsische König mit dem Titel „Kammerrat". Nach 25jährigem Direktorat übergab Weitzel im gleichen Jahr die Amtsgeschäfte an Alfred Udo Holzt. Die großen Belastungen als Direktor, Lehrer, Autor von Lehrbüchern und auch persönliche Schicksalsschläge hatten seine Gesundheit untergraben.
Mit Alfred Udo Holzt, der als junger Ingenieur am „Technikum" lehrte, übernahm ein Mann die Leitung, der mit der Forderung, dass „...bei dem Unterricht besonders die praktische Seite zu betonen…" sei, die Ziele Carl Georg Weitzels weiterhin verfocht.
Holzt berücksichtigte frühzeitig neue technische Entwicklungen, so bot er ab 1909 Lehrveranstaltungen zur Flugzeug- und Automobiltechnik an. Die angehenden Elektro-Ingenieure konnten seit 1917 das Fach „Fernmeldetechnik und Funkentelegraphie" belegen, außerdem standen Laboratorien für die Hochfrequenz-, Radio- und Fernmeldetechnik zur Verfügung.
Ein Ergebnis der ehrgeizigen Zielsetzungen war der Bau des „Electrotechnischen Instituts", des heutigen „Afred-Udo-Holzt-Baus", eröffnet 1894, und die Inbetriebnahme der „Lehr-Fabrikwerkstätten" im Jahre 1901, drei Jahre später in „Präzisionswerkstätten Mittweida" GmbH umbenannt. In diesem Unternehmen konnten sich nicht nur Praktikanten auf das Studium vorbereiten, sondern man produzierte auch elektrische Maschinen, Messgeräte, Lehrmittel und Werkzeugmaschinen.
Bereits im Jahre 1902 verlieh man Alfred Udo Holzt für seine Verdienste den Professorentitel und 1917 den eines „Königlich-sächsischen Hofrates". In der Mitte der 20er Jahre erreichte das „Technikum Mittweida" mit über 2300 jungen Menschen seine bis dahin größte Zahl an Studierenden. Die Besucher kamen vor allem aus den europäischen Ländern, aber auch aus Übersee und aus Asien. Zeitweise waren mehr als die Hälfte aller Studenten Ausländer.
Trotz des immer noch großen Zuspruchs und des guten Rufes des „Technikums Mittweida" gerieten Ende der zwanziger Jahre die Bildungseinrichtung und die „Präzise" in finanzielle Schwierigkeiten. In den Jahren der Weltwirtschaftskrise sank die Zahl der Studierenden ab, und die Schließung schien unvermeidlich. Verschärft wurde die kritische Situation durch den privaten Charakter der Einrichtung, die den Bestrebungen zur Verstaatlichung aller Schulen entgegenstand.
Nach dem Machtantritt der Nationalsozialisten bestand für die Weiterführung in der bisherigen Weise keine realistische Möglichkeit mehr. Ab 1935 musste der Name „Ingenieurschule Mittweida" geführt werden. Am 15. Juni 1936 trat Hofrat Professor Alfred Udo Holzt zurück. Nach längeren Verhandlungen erwarb 1938 die Stiftung „Ingenieurschule Mittweida (Höhere Technische Lehranstalt)" die Bildungsstätte. Am 25. Oktober 1938 übernahm eine nationalsozialistische Leitung, die den Lehrbetrieb bis zum Januar 1945 fortsetzte.
Am 1. November 1947 nahm die „Ingenieurschule Mittweida" den Lehrbetrieb mit den Fachrichtungen Maschinenbau, Elektrotechnik, Landmaschinenbau und Kraftfahrzeugbau wieder auf. Am 1. September 1969 fand der feierliche Gründungsakt der „Ingenieurhochschule Mittweida" statt. Ihrem Status nach war sie den Universitäten und Technischen Hochschulen gleichgestellt. Ab 1976 führten alle Absolventen der Ingenieurhochschulen den Titel „Diplom-Ingenieur". Das Promotionsrecht zur Erlangung des akademischen Grades „Doktor-Ingenieur" erhielt die Ingenieurhochschule Mittweida 1980. Im Jahre 1990 wählten die Angehörigen der Ingenieurhochschule Mittweida Professor Dr.-Ing. habil. Reinhard Schmidt mit großer Mehrheit zum Rektor. Unter seiner Leitung gelang es, den Hochschulstandort zu erhalten und den Neubeginn als Fachhochschule zu meistern.
Im Rahmen des Hochschuljubiläums 2015 bis 2017 überarbeitet die Hochschule ihre Geschichte mit drei neuen Kapiteln (1933-1945, 1947-1989, 1992-2015), die an dieser Stelle kontinuierlich die bisherigen Kurzdarstellungen ersetzen werden.
Heute präsentiert sich die Hochschule Mittweida als leistungsstarke Hochschule der Angewandten Wissenschaften in der sächsischen Hochschullandschaft. Sie lehrt und forscht mit ca. 6.000 Studierenden in sechs (ab 1.9. 2015 fünf) Fakultäten und vier Forschungsschwerpunkten.