„Kinderschutz ist das normalste von der Welt“ - das war das Eingangsstatement von Professor Wolff. Die letzte Veranstaltung im Rahmen der Ringvorlesung „Was ist modern?“ beschäftigte sich mit dem modernen Kinderschutz. Der Soziologe machte deutlich, dass die Normalität von Schutz und Fürsorge für unsere Kinder im Alltag oft mit der anderen „Normalität“ konfrontiert ist: vernachlässigte, misshandelte und missbrauchte Kinder. Die Schuldigen sind meist schnell gefunden: die versagenden Eltern und versagenden Experten, denen eine kopfschüttelende und erregte Öffentlichkeit mit Unverständnis gegenüber steht. Hier gilt es nicht nur genauer hinzuschauen, sondern auch den Skandal, den die Medien oft daraus machen, kritisch in den Blick zu nehmen, so Wolff.
Die Frage, wie eine moderne Gesellschaft, ein moderner Staat und Professionelle mit solchen Risiken umgehen sollen, ist nicht leicht zu beantworten. Der Referent verdeutlicht, dass schnelle Eingriffe in das Elternrecht oder die Verschärfung des Strafrechts nicht die Lösung sein können. Langfristig folge daraus eine autoritär-diktatorische Kultur des ständigen Verdächtigens und Überwachens. Besser sei es zu verstehen, in welchem Grunddilemma hier die Experten, z.B. des Jugendamtes, stecken. Schwierig sind die Entscheidungen, wann man eingreift, um beispielsweise ein Kind in Obhut zu nehmen. Dabei müssen sie sowohl das Kindeswohl, das Elternwohl als auch das Gemeinwohl im Blick haben. Hier gibt es vielleicht gute, bessere, aber selten eine „richtige“ Entscheidung und Lösung. Es bleibt oft etwas übrig, das nicht vorhersehbar oder beeinflussbar ist. Diesen „Rest“ bezeichnet man modern auch als Kontingenz.
Die Kunst und Aufgabe ist, mit dieser Kontingenz auch im Kinderschutz umzugehen, was weder durch eine Standardisierung der Hilfe noch durch ein Verwalten von Kindern möglich ist. Auch wenn Lösungen für den modernen Kinderschutz schwer festzuschreiben sind, steht das Engagement, wie Professor Wolff es zeigt, an erster Stelle. Durch Weiterbildner wie ihn wird auch der Dialog zwischen Eltern, Helfern und Experten möglich.
Mit dieser Veranstaltung war der Schlusspunkt unter die Vorlesungsreihe „Was ist modern?“ gesetzt. Das Votum der Anwesenden war eindeutig, eine solche Reihe fortzusetzen, um den begonnenen Dialog über die Fächer in der Hochschule aber auch mit der Bürgerschaft in Mittweida weiter zu führen. Wie es gelingen kann, noch mehr Interessenten für eine solche anspruchvolle wie anregende Veranstaltung zu gewinnen, wird die Veranstalter weiter bewegen. Die Idee und Praxis des Livestreams sowie die Aufbereitung der Vorlesungen im Netz ist jetzt schon eine bewährte Form, auf die moderne Wissensaneignung zu reagieren.