Seit einigen Wochen prägen sie den Campus und die Hochschulstadt Mittweida mit: die Studierenden, Mitarbeiter und Professoren der Fakultät Soziale Arbeit. Im September ist die Fakultät von Roßwein ins neue Zentrum für Medien und Soziale Arbeit an der Mittweidaer Bahnhofstraße umgezogen. Am Mittwoch begann sie unter der Überschrift "Angekommen in Mittweida" ihren ersten Fakultäts-Studientag am neuen Ort. Im nicht-öffentlichen Teil am Vormittag fragten die Angehörigen der Fakultät zunächst danach, wie das Einleben bisher gelungen ist. Am Nachmittag waren auch die Mittweidaer eingeladen, die "Neuen" kennen zu lernen.
Unter dem Motto "Neu für Mittweida" stand die Vielfalt Sozialer Arbeit als Studien- und Arbeitsfeld und ihre Funktion für die Gesellschaft im Mittelpunkt. Vorträge, Diskussionen, Filme und eine Ausstellung machten diese Vielfalt anschaulich. In ihrem Vortrag gab Barbara Wolf allgemein verständlich und mit Beispielen aus ihrer eigenen Tätigkeit in der Kinder- und Jugendhilfe einen Einblick in die Arbeitsfelder der Sozialen Arbeit. Kritisch beleuchtete die Professorin dabei die gesellschaftlichen Folgen von Sozialkürzungen.
Geschichten aus der Brauerei
Im anschließenden "Erzählcafé" begegneten sich Vergangenheit und Gegenwart des Standorts Bahnhofstraße 15 ganz lebendig. Unter dem Motto "Die Zeiten sind vorüber, die Zeiten sind vorbei..." gab Mathias Feik (geb. 1955) einen kurzen Einblick in die Geschichte der Mittweidaer Brauerei, die hier früher stand. Feik arbeitete von 1974 bis 1990 als Kraftfahrer im "VEB Mittweidaer Löwenbräu" und ist ein Kenner der Geschichte der Brauerei, die früher die Region mit Bier und Limonade versorgte.
Feik erzählte als Einstiegserzähler eigene Geschichten, bevor sich andere der über 70 Erzählcafé-Gäste anstecken ließen, eigene - vielfach zu herzlichem Lachen führende - Erlebnisse rund ums Mittweidaer Bier und die Arbeit in der Brauerei zu erzählen. Unter den Besuchern waren die Hälfte Mittweidaer Bürgerinnen und Bürger, darunter ehemalige Kollegen von Mathias Feik, dazu kamen Studierende, Mitarbeiter und Professoren der Hochschule.
Die waren eher Fragende und aufmerksame Zuhörer der Erinnerungen, die in ihrer Unterschiedlichkeit nebeneinander stehen konnten. Auch für Moderatorin Kornelia Beer ist das "Erzählcafé" gelungen: "Es ist ein Ort zur lebendigen Darstellung persönlicher Lebensgeschichte in einer öffentlichen und aufgeschlossenen Atmosphäre, keine Großveranstaltung mit Prominenten. Im Mittelpunkt steht immer das persönlich Erlebte. Jeder kann erzählen, aber auch einfach nur zuhören. Das ist in der entspannten und heiteren Atmosphäre bei Kaffee und von den Studierenden selbstgebackenen Plätzchen wunderbar gelungen."
Ehrung für einen Mitbegründer der Fakultät
Am späteren Nachmittag folgte die feierliche Benennung des Peter-Schütt-Hörsaals im neuen von den Fakultäten Medien und Soziale Arbeit gemeinsam genutzten Haus. Der größte Hörsaal mit 193 Plätzen wurde nach dem im April vergangenen Jahres verstorbenen Peter Schütt benannt.
Professor Schütt gehörte im Jahr 1993 zu den Gründern der Fakultät Soziale Arbeit an der Hochschule Mittweida. Er war ein streitbarer, unkonventioneller Lehrer, der sich besonders um die hohe Qualität der Praxisreflexion im Studium der Sozialen Arbeit verdient gemacht hat. Dies brachten auch die beiden Laudatoren Professor Stephan Beetz und Detlef Richter zum Ausdruck, die ihre prägenden Erfahrungen mit Peter Schütt einmal als junger Professoren-Kollege und einmal als Student auf dem Weg in die Praxis der Sozialarbeit eindrücklich und persönlich schilderten.
Pioniere der Forschung auf dem Podium
Zum Abschluss des Tages der Sozialen Arbeit kam es im Fernsehstudio zum Widersehen zweier Urgesteine der empirischen Sozialforschung in Deutschland: C. Wolfgang Müller und Klaus Liepelt, beide in ihren Achtzigern hatten in den 1950er Jahren gemeinsam erste Schritte ins Berufsleben gemacht. Professor C. W. Müller lehrte und forschte über 30 Jahre lang in Berlin, war erster Direktor des 1980 gegründeten Institutes für Sozialpädagogik der TU Berlin. Generationen von Studierenden sind die Werke von C. W. Müller ein Begriff, zum Beispiel die "Einführung in die Soziale Arbeit" oder "Helfen als Beruf". Auch heute berät er weiter Einrichtungen der Sozialen Arbeit - auch um auf dem Laufenden zu bleiben, "wie die Jugend tickt".
Klaus Liepelt, Professor an der Fakultät Medien und ein Vater der Meinungsforschung in Deutschland ist Ende der 1950er Jahre Mitbegründer von "infas". In der ARD war er in den 1960er und 1970er Jahren regelmäßig im Fernsehen mit den Hochrechnungen und der Interpretation der von infas durchgeführten Wahlforschung zu sehen. Heute forscht Liepelt über neue Methoden der Markt- und Meinungsforschung in Netzwerken.
Die von Professor Gudrun Ehlert moderierte Begegnung von Müller und Liepelt bot für die Zuhörer so gleichzeitig Einblicke in zwei Forscherleben und zwei Forschungsfelder, deren gemeinsame Grundlage die empirische Forschung ist. Diese sei notwendig, so C. W. Müller, um das Wissen zu begründen, das Professionalität als "Wissen, warum es notwendig ist", von bloßer Beruflichkeit, als "machen, wie man es macht", unterscheide.