„Nicht für die Schule, sondern fürs Leben lernen wir"- so sagt es das bekannte Sprichwort. Und tatsächlich: Bildungsbedarf und Bildungshunger enden nicht mit Schul- oder Hochschulabschluss. Hier antwortet Erwachsenbildung und sorgt nicht für individuelle Bildung, sondern trägt gerade in ländlichen Räumen dazu bei diese Räume zukünftig lebendig und lebenswert zu erhalten. Gleichzeitig beiflussen auch hier Digitalisierung und sozialräumliche Veränderungen zunehmend die Lernkultur und erfordern neue und ergänzende Angebote.
Wie es um Weiterbildung im ländlichen Raum steht, zeigt nun eine sozialwissenschaftliche Studie der Hochschule Mittweida, die im Rahmen eines Fachtags vor wenigen Wochen präsentiert wurde.
Die Fakultät Soziale Arbeit organisierte die Veranstaltung am 16. Mai in Kooperation mit dem Projektgeber und Kooperationspartner der Studie, dem Sächsischen Volkshochschulverbandes (SVV). Der Einladung ins Zentrum für Medien und Soziale Arbeit folgten zahlreiche Vertreterinnen und Vertreter aus Politik, Verwaltung, Erwachsenenbildungseinrichtungen und Zivilgesellschaft. Auch Michael Kretschmer, Ministerpräsident des Freistaates Sachsen und zugleich Präsident des SVV nahm an der Veranstaltung teil und eröffnete sie mit einer kurzen Ansprache. „Infrastruktur und Bildung sind die wichtigsten Elemente um den ländlichen Raum lebendig zu gestalten. Speziell die Erwachsenenbildung ist zudem von Bedeutung, um unsere politischen Vorgänge verständlich zu gestalten. Ich freue mich, dass wir diese Studie gefördert haben“, so der CDU-Politiker.
Neben Kretzschmer sprachen Uwe Gaul, Staatssekretär im Sächsischen Staatsministerium für Wissenschaft und Kunst, Prof. Dr. Ludwig Hilmer, Rektor der Hochschule Mittweida, und Rolf Keil, Landrat des Vogtlandkreises, zur Bedeutung der Erwachsenenbildung bei der Entwicklung ländlicher Räume.
Im Anschluss trat für die Fakultät Soziale Arbeit Studienleiter Prof. Dr. Stephan Beetz ans Pult: „Die Ergebnispräsentation ist zwar der Abschluss einer Arbeit, aber hoffentlich auch der Beginn einer weiteren fruchtbaren Zeit“, so der Professor im Hinblick auf weitere Kooperationen.
Zwischen Erwachsenenbildung und Regionalentwicklung
In Zusammenarbeit mit dem SVV gingen die Mittweidaer Nachwuchsforscherinnen Pauline Bender und Friederike Haubold über einen Zeitraum von zehn Monaten der Frage nach, welchen Beitrag Erwachsenenbildung zur Entwicklung ländlicher Räume leisten kann und welche Ausrichtung dafür nötig wäre. Die Projektmitarbeiterinnen sprachen dazu mit mehr als 100 Personen im Landkreis Nordsachsen und im Vogtlandkreis, den Untersuchungsgebieten der qualitativen Studie. Die Analyse der Interviews und Gruppendiskussionen zeigte Überraschendes:
Nicht die berufliche Bildung oder inhaltliche Bedarfe wurden von den Befragten in den Fokus gerückt. Vielmehr sind es Dinge wie Gemeinschaft, Orte des Zusammenkommens und Mitgestaltungsmöglichkeiten, die mit Erwachsenenbildung und Regionalentwicklung in Zusammenhang gebracht werden. Zudem wurde deutlich, dass nur mit einer Orientierung an der Lebenswelt in ländlichen Räumen ansässiger Menschen, einer Beachtung regionaler Spezifika und einem starken Gemeinwesenbezug Erwachsenenbildung durch Anregung individueller und gemeinschaftlicher Lernprozesse ein Entwicklungsfaktor sein kann.
Forderung nach neuer politischer Ausrichtung
Der Studienpräsentation folgte eine Podiumsdiskussion mit dem Titel „Ländlicher Raum im Umbruch!“. Unter der erfrischenden Moderation von Prof. Dr. Ulrich Klemm, Geschäftsführer des SVV, diskutierten Anne Pallas, Geschäftsführerin des Landesverbandes Soziokultur Sachsen e.V., Dr. Monika Michael, Präsidentin des Sächsischen Landfrauenverbandes e.V., Dr. Ralph Egler, Direktor der VHS Leipziger Land und Vorsitzender des SVV, sowie Prof. Dr. Stephan Beetz. Dass Kooperationen unterschiedlichster Einrichtungen im ländlichen Raum unverzichtbar sind, damit Erwachsenenbildungsangebote gestärkt werden können und Menschen generationenübergreifend und milieuunabhängig erreicht werden müssen, wurde ebenso benannt wie eine notwendige Veränderung förderpolitischer Rahmenbedingungen.
Derzeit sei die quantitative Förderung der Erwachsenenbildung in Sachsen demnach zu stark an Teilnehmerzahlen orientiert, was der Bevölkerungssituation im ländlichen Raum nicht gerecht wird. Weiterhin seien finanzieller Spielraum und langfristige Planbarkeiten essentiell für die Entwicklung neuer Formate und Ideen, wie beispielsweise im Bereich politischer Bildung. Gemeinschaftliches Lernen sei demnach die Grundlage für eigenständige Regionalentwicklung.
Erster Meilenstein ist gesetzt
Am Nachmittag stand der Austausch unter den Teilnehmerinnen und Teilnehmern im Fokus. In zwei World-Café-Runden zu den Themen Lebendige Orte in ländlichen Räumen, Politische Bildung, Partnerschaften in der Erwachsenenbildung und Finanzierung/Institutionelle Absicherung zeigten sich Herausforderungen und Möglichkeiten zur zukünftigen Ausrichtung der ländlichen Erwachsenenbildung.
Der Fachtag an der Hochschule Mittweida bildete einen Meilenstein zur strukturellen Weiterentwicklung der Erwachsenenbildung im ländlichen Raum. Die Aussagen und Erkenntnisse des Tages und die nun veröffentlichen Studie sind zugleich Basis und Impulsgeber für weitere Schritte in der praktischen und gedanklichen Weiterentwicklung der Erwachsenenbildung.
Text: Pauline Bender, Friederike Haubold, Daniela Möckel
Fotos: Daniela Möckel