Mit dem siebten Dialog schloss am 26. Juni die Reihe „Dialog Kontrovers“ im Sommersemester 2019. Unter dem Gesamtmotto der Reihe "Digitalisiert euch! Oder: Ihr werdet digitalisiert." ging es um das komplexe Thema des digitalen Strukturwandels auf dem Land.
Werden durch die Digitalisierung Angebote ersetzt oder werden (zumindest in einem Übergangszeitraum) eher zusätzliche Angebotsstrukturen geschaffen? Führt Digitalisierung tatsächlich zu einer Verringerung von Mobilität und rücken zentrenferne Gebiete näher heran? Führt Digitalisierung tatsächlich zur Dezentralisierung oder nimmt die Zentralisierung sogar noch zu?
Bereits jetzt zeichnet sich ab, dass die Digitalisierung neue Kooperationen, neue Qualifikationen und stets neue Anpassungsleistungen erfordert. Kann dies und wenn ja, wie geleistet werden? Und was muss getan werden, um auch analoge Anknüpfungspunkte zu festigen oder entstehen zu lassen?
Diese Fragen diskutierten unter der Moderation von Stefan Beetz, Professor für Soziologe und Dekan der Fakultät Soziale Arbeit der Hochschule Mittweida: Staatssekretär Stefan Brangs, Beauftragter der Sächsischen Staatsregierung für Digitales im SMWA, Joachim Ragnitz, Wirtschaftswissenschaftler mit dem Schwerpunkt Politikberatung für Ostdeutschland und stellvertretender Geschäftsführer der Niederlassung Dresden des ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung, und Ljubica Nikolic, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Soziologie Ländlicher Räume, Georg-August-Universität Göttingen.
Staatssekretär Stefan Brangs stellte eingangs seine Thesen in Anlehnung an die Strategie „Sachsen Digital“ vor: 1. Flächendeckender Breitbandausbau mit Glasfaser („Breitband bis an jede Milchkanne“) als Bestandteil der kommunalen Daseinsvorsorge; 2. Innovation in der digitalen Infrastruktur (5G und neue Lösungen schaffen Möglichkeiten für Arbeitsorte) und Förderung des Software-Standortes Sachsen; sowie 3. Unterstützung des Engagements der Akteure vor Ort und Berücksichtigung spezifischer Ansätze vor Ort.
Joachim Ragnitz sieht in der Digitalisierung vor allem eine Chance für die Sicherung gleichwertiger Lebensverhältnisse. Man dürfe aber nicht nur über den Breitbandausbau reden, sondern vor allem darüber, wie Digitalisierung sinnvoll umgesetzt werden kann – insbesondere in Bezug auf die abnehmende Attraktivität ländlicher Räume für qualifizierte Fachkräfte.
Ljubica Nikolic betonte, dass digitale Lösungen allein nicht ausreichen. Engagierte Akteure aus Wirtschaft, Verwaltung und/oder Zivilgesellschaft würden benötigt, die soziale Orte im Sinne „kommunikativer Ankerpunkte“ schaffen. Erst dann könne mit Hilfe digitaler Lösungen die Lebensqualität auf dem Land nachhaltig verändert werden.
Damit endete der „Dialog Kontrovers 2019“. Seine Überschrift war wie ein Brennglas auf den Zeigeist: An den sieben Abenden wurde unterschiedlichen Facetten der digitalen Transformation nachgegangen (digitaler Kapitalismus, Bildung, Online-Abhängigkeit, Arbeit 4.0, der gläserne Bürger, Demokratie und schließlich Lebensverhältnisse in Stadt und Land) – alles Themen, die die Gemüter gegenwärtig auch ohne Digitalisierung bewegen.
Professor Stefan Busse, Direktor des Institut für Kompetenz, Kommunikation & Sprache (IKKS) an der Hochschule Mittweida, der mit seinem Team den Dialog Kontrovers organisiert hatte:„Wenn es ein Resümee über alle Themenfelder hinweg gibt, dann vielleicht dieses: Es wird eine Herausforderung sein, sich mit Lust und gebotener Experimentierfreude der Digitalisierung zu öffnen, sich dieser aber auch nicht mit unreflektierter Euphorie und fröhlicher Unbedarftheit zu unterwerfen, sich kritisch und reflexiv ihren Risiken und problematischen Kollateraleffekten gegenüber wach zu halten, ohne in einer distopischen Distanzierung zu verharren. Dazu braucht es, das würden wohl alle Dialoggäste unterschreiben, mehr als digitale Fertigkeit, nämlich digitale Kompetenz, die in einer digitalen Ethik gründet und in einer analogen Lebenskompetenz verankert ist.“
Hier sind sechs der sieben Dialoge 2019 nachzusehen.
Der Dialog Kontrovers findet alle zwei Jahre im Wechsel mit der Öffentlichen Ringvorlesung statt. Im Jahr 2021 wird es also eine neue Ausgabe der Veranstaltungsreihe geben.
Ausblick auf 2020:
Die 5. Öffentliche Ringvorlesung unter der Überschrift: „Meinen – Glauben - Wissen“.
Im Sommersemester 2020 lädt die Hochschule wieder zur Ringvorlesung ein. Nach aktuellem Planungsstand werden sich dann in 13 Veranstaltungen Referentinnen und Referenten aus unterschiedlichen Disziplinen und Institutionen unter der Überschrift „Meinen – Glauben - Wissen“ mit diesen verschiedenen Arten des Fürwahrhaltens beschäftigen. Das Spannungsfeld von rationaler Wissenschaft, religiöser Deutungshoheit und der zunehmenden Fixierung auf Meinungen verspricht vielfältige Einsichten und spannende Diskussionen.
Fotos: Timotheus Liebau