Dass eine Hochschule von Geistern gefüllt ist, darf ohne Besorgnis angenommen werden: Forschergeist, Erfindergeist, Lehr- und Lernbe-geist-erung, …
Alle dieser „Geister“ leben vom Gespräch, und das kommt im coronabedingten Abstand manchmal zu kurz. Onlinevorlesungen und Videokonferenzen helfen gut über die Shutdown-Runden und sie werden uns auch weiter begleiten als gute Möglichkeiten, zeit- und ortsunabhängig zu lehren und zu lernen. Aber nicht alles geht genauso gut wie in Präsenz von Hörsaal, Seminarraum und Labor: Lehrende sehen sich monologisierend vor schwarzen Kacheln, hinter denen sie Studierende vermuten, von denen sie nicht ahnen, ob der Stoff bei ihnen ankommt. Studierenden wiederum fällt es schwer, sich aktiv zu beteiligen und Fragen zu stellen. Auch gerade Laborversuche, für die es spezielle Gerätschaften braucht, oder Übungen mit spezieller Software lassen sich nicht so einfach „online“ durchführen.
Zwei Beispiele an der Hochschule Mittweida zeigen, wie die Not erfinderisch macht, und das Labor digital zu den Studierenden nachhause kommt.
Der Geister-Pool im Haus 11
Die Fakultät Ingenieurwissenschaften macht ihre Computer-Pools für Computer-Aided-Engineering (CAE) zu Geister-Pools: Niemand ist da und doch arbeiten die Rechner fleißig, ferngesteuert von Studierenden zuhause. Auch der Dozent bedient seinen Pool-PC von zuhause aus und kann den Fortschritt seiner Studierenden bei der Bearbeitung der Konstruktions-Übungen individuell verfolgen. „Gerade bei softwarebezogener Lehre ist es wichtig zu sehen, ob die Studierenden das Gezeigte verstanden haben und das Tempo halten“, sagt Andreas Petzold, M. Eng., Laboringenieur in der Fachgruppe Konstruktion der Fakultät, der das CAD-Praktikum mit der Software „Solidworks“ betreut.
Möglich wird das mithilfe einer VPN-Verbindung und einem individuellen Remote-Desktop für die Fernbedienung der Pool-PCs in der Hochschule. So stehen Studierenden und Dozenten prinzipiell deren Leistungsfähigkeit und Softwareausstattung auch am heimischen PC zur Verfügung, so neben „Solidworks“ auch „Teamcenter“ von Siemens für das Praktikum PLM (Product Lifecycle Management) bei Prof. Dr.-Ing. René Ufer. Im Pool ist zudem die Klassenraum-Software „Mastersolution“ einer Firma aus Plauen installiert, mit der der Dozent alle PCs im Auge behalten kann. Er sieht den Fortschritt bei der Bearbeitung von Aufgaben, kann eingreifen, um zu unterstützen, oder allen Studierenden seinen Bildschirm zeigen.
Ton und Video werden per parallellaufender Zoom-Konferenz übertragen. So können sich Studierende und Dozenten auch sehen und hören. Studierende sehen auch, was der Dozent am PC demonstriert. Der Dozent sieht, was die Studierenden auf dem Pool-PC tun. Es ist also alles genauso, als würden alle zusammen im CAE-Pool sitzen. „Virtuell kann ich so durch die Reihen gehen und schauen, ob die besprochenen Dinge umgesetzt werden oder ob es irgendwo klemmt“, sagt Andreas Petzold. Auch von seinen Studierenden bekommt er bisher nur positives Feedback.
Online-Praktika auch nach der Pandemie
Vor einer ähnlichen Herausforderung standen Prof. Dr.-Ing. Swen Schmeißer und Dr. rer. nat. Sara Kischnick von der Fachgruppe Elektro- und Automatisierungstechnik der Fakultät Ingenieurwissenschaften im Praktikum „Industrielle Steuerungen“: die Programmierung von industriellen Komponenten mit zugehöriger Sensorik und Aktorik vollständig digital zu ermöglichen, damit die Studierenden dies von zuhause aus absolvieren können.
Bereits ab Mai wurden dazu die ersten Arbeitsplätze umgebaut, die mit einem PC und einer Speicherprogrammierbaren Steuerung (SPS) ausgestattet sind. Wie ihre Kommilitonen aus der Konstruktion steuern die Studierenden die SPS mittels der Anwendersoftware auf dem Hochschul-PC von ihrem heimischen PC aus via VPN- und einer Remote-Verbindung. So ist es zum Beispiel möglich, einen Füllstandsregler auf verschiedene Weisen zu konfigurieren und zu programmieren sowie Füllstandshöhen vorzugeben. Aus den ersten sechs Testrechnern sind inzwischen zwölf geworden, und aus einem Online-Praktikum inzwischen Praktika in drei Modulen für Studierende in fünf Studiengängen. Auch hier sind die Rückmeldungen der Studierenden positiv und tragen zur Optimierung der Online-Praktika bei – u.a. über die Installation von Kameras für ein visuelles Feedback zur Versuchsdurchführung. Die Studierenden können somit die Versuchsaufbauten sehen und erkennen die Reaktionen der Anlage auf ihr jeweils erstelltes Programm. Eine zusätzliche Lichtquelle an jedem Arbeitsplatz ermöglicht den Studierenden, das Praktikum jederzeit durchzuführen.
Dr. Sara Kischnick freut sich über die gelungene Umstellung und denkt schon weiter: „Wir sind schon dabei, die Laborarbeitsplätze zu erweitern, um weitere Module auf Onlinebetrieb umstellen zu können. So sollen demnächst Panels und Motion-Control-Systeme integriert werden, die dazu dienen, ein maschinennahes Bedienen und Beobachten der Anlagen zu ermöglichen sowie Antriebssysteme in die Steuerungsumgebung zu integrieren.“ Und sie ergänzt: „Wir planen, auch nach der Pandemie unseren Studierenden diese Onlinepraktika zu ermöglichen, damit die Studierenden zusätzlich zu den Pflichtpraktika von zuhause aus weiter üben und ihre Erkenntnisse erweitern können."
Diese beiden Beispiele sind zwei von vielen, mit denen die Hochschule Mittweida in Zeiten „digitalen“ und „hybriden“ Betriebs die Lehre und das Lernen gestaltet. Forscher- und Erfindergeist, Begeisterung für den eigenen Stoff, Engagement für die Studierenden und die Zusammenarbeit aller sind die „Geister“ hinter den neuen Formen und Wegen zu arbeiten und in Verbindung zu bleiben.
Allen Leserinnen und Lesern der News & Meldungen wünschen wir Gesundheit, Glück und Gelingen im neuen Jahr!
Im Foto vom Geister-Pool ganz oben hat sich auch ein kleiner Fehlerteufel eingeschlichen. Wer ihn findet, gewinnt keinen Preis, aber wir freuen uns auf die Rückmeldungen aufmerksamer Leserinnen und Leser an presse@hs-mittweida.de .