Blackbox Beratung
Blackbox Beratung
Rekonstruktive Beratungsforschung an der Hochschule Mittweida. Tagung mit einem kleinen Abschied für Emeritus Professor Stefan Busse.
Sein Herzensthema ist die Frage, wie Professionalität in der Sozialen Arbeit hergestellt und bewahrt wird: Prof. Dr. rer. nat. habil. Stefan Busse ist am 29. Juni von seiner Fakultät und zahlreichen Wegbegleitern in den Ruhestand verabschiedet worden. Der (zukünftige) Emeritus bedankte sich mit einer Abschiedsvorlesung unter der Überschrift: „Die Gefährdung kommunikativer Vernunft“.
Zu seinem Herzensthema und hier mit speziellem Blick auf die „Black-Box Beratungsinteraktion“ hatte Busse schon einige Wochen zuvor im Mai an die Hochschule Mittweida eingeladen – seine letzte Tagung vor dem Ruhestand. Gemeinsam mit seinem Doktoranden Markus Lohse leitete er die Jahrestagung des Netzwerks für Rekonstruktive Soziale Arbeit mit dem Schwerpunkt „Rekonstruktion von Beratungsinteraktionen“.
Beratung ist eine der wesentlichen Aufgaben von Sozialer Arbeit. Professionelle Akteur:innen und ihre Klient:innen befinden sich in einem interaktiven Herstellungs- und Aushandlungsprozess, der in unterschiedlichen Handlungsfeldern, Settings und organisationalen Kontexten geschieht. Beratungsgeschehen selbst zum Gegenstand wissenschaftlicher Reflexion und kollegialer Diskussion zu machen und nicht als Blackbox zu betrachten, hatte sich die Jahrestagung in Mittweida zur Aufgabe gemacht.
Rekonstruktive Forschung bietet einen Zugang zu Einzelfällen, um diese in der Tiefe zu verstehen und davon ausgehend generalisierbare Aussagen zu formulieren. Der Einladung der gastgebenden Hochschule Mittweida folgten am 6. und 7. Mai 2022 über 50 Teilnehmende. Die Mittweidaer Fakultät Soziale Arbeit ist seit mehr als zehn Jahren Teil des Netzwerks mit über 100 Mitgliedern (Wissenschaftler:innen, Promovierenden und interessierten Studierenden) in ganz Deutschland.
Das Zentrum für Medien und Soziale Arbeit der Hochschule Mittweida bot als Tagungsort ideale Bedingungen für eine Umsetzung in Präsenz mit hybriden Elementen. Inhaltlich widmete sich die Tagung der empirischen und theoretischen Rekonstruktion von Beratungshandeln. Fünf Impulsvorträge über gesprächslinguistische Forschungsergebnisse, Emotionsarbeit, Wissensstrukturen sowie die digitale Lehre von Beratung regten am ersten Tag zur Diskussion an.
Reales Beratungsgeschehen als Forschungsfeld
Den zweiten Veranstaltungstag prägten interessante Vorträge in den Themenclustern Beratung als interaktiver Herstellungsprozess von Praxis, Beratung im Kontext von Macht und (Un-)Gleichheit, Komplexe Settings sowie Strukturdilemmata in der Beratung.
Professor Busse: „Wir wollen besser verstehen, wie Beratungsergebnisse interaktiv hergestellt werden. Dazu bedarf es einerseits innovativer methodischer, vor allem rekonstruktiver Forschungsdesigns und andererseits die Bereitschaft der ‚Community of Practice‘ von Berater:Innen, das reale Beratungsgeschehen den Forschenden zugänglich zu machen.“
Hierzu gab Markus Lohse in einer Forschungswerkstatt am zweiten Tag Einblicke in seine Untersuchungen zur Rekonstruktion der interaktiven Herstellung von Erkenntnis und Einsicht (Wissen) in Supervisionssitzungen. Eine weitere Forschungswerkstatt beschäftigte sich mit der Herstellung von Beziehung in niedrigschwelligen Beratungssettings Sozialer Arbeit in der Suchtberatung.
Eine Podiumsdiskussion resümierte die Tagung aus ganz unterschiedlichen Perspektiven auf die Leitfrage: „Was haben wir in der Auseinandersetzung mit und in der Rekonstruktion von Beratungsinteraktionen gelernt?“.
Der Tagungsband mit spannenden und vertiefenden Einblicken in die „Blackbox“ Beratungsinteraktion ist in Vorbereitung.
Die nächste Workshoptagung des Netzwerks findet vom 15. bis 17. September 2022 in Berlin statt.