Ringvorlesung „Zeiten wenden!“
Ringvorlesung „Zeiten wenden!“
Rückblick: Spaltung oder Zusammenhalt in unserer Gesellschaft?
Ausblick auf diese Woche: Wird die Zeitenwende in der Klimakrise ausgebremst?
Die Leipziger Soziologin Clara Dilger stellte ihren Beitrag zu „Zeiten wenden“ am 23. Mai unter die Überschrift „Gefährdeter Zusammenhalt? Polarisierungs- und Spaltungstendenzen in Deutschland“.
Zwei für den Zugang zum Thema spannende Fragen stellte Clara Dilger dem Publikum gleich zu Beginn: „Aus dem Bauch heraus: Wer hat das Gefühl, dass wir in einer gespaltenen Gesellschaft leben?“ Rund die Hälfte der Zuhörenden hob die Hand. „Wer von Ihnen fand diese Frage schwierig zu beantworten?“ Nicht weniger meldeten sich. Und tatsächlich ist es schwierig, die Begriffe Spaltung oder ihr Gegenteil Zusammenhalt zu definieren oder Kriterien dafür zu finden, in welchem der Zustände unsere Gesellschaft sich befindet.
Die Wissenschaftlerin näherte sich über die Themenkontexte, in denen die Begriffe vor allem medial auftauchen: Klima-Aktivismus, Ost-West, Corona, Heizungstausch, ... – alles meist negativ konnotiert. Politik habe aber inzwischen erkannt, dass für den Zusammenhalt etwas getan werden muss. In Sachsen gibt es ein „Ministerium für soziales und gesellschaftlichen Zusammenhalt“. Im Gegensatz zu den Schlagzeilen gehe es hier positiv konnotiert um Zusammenhalt zum Beispiel über ehrenamtliches Engagement.
Der Bund fördert seit 2020 die wissenschaftliche Arbeit von Clara Dilger und ihren rund 200 Kolleg:innen an den elf Standorten des Forschungsinstituts Gesellschaftlicher Zusammenhalt (FGZ) zu diesem Thema.
Als theoretisches Modell zur Untersuchung und Erklärung der sozialen Phänomene, an den eine soziale Spaltung erkennbar sein kann, stellte Dilger die Cleavage-Theorie der sozialen Spaltungslinien vor. Die Cleavages (Spaltungen) beschreiben dauerhafte Konflikte, die ein (Parteien-)System für lange Zeit prägen.
Im weiteren Verlauf identifizierte sie neben den klassischen Konfliktlinien des Modells einen neuen potenzielle Cleavage: den Konflikt um die Offenheit von Gesellschaften nach Innen und Außen, also die Spaltung zwischen Offenheit, Pluralismus auf der einen und Geschlossenheit, ethnischer Homogenität, Traditionalistisch auf der anderen Seite der Linie. Das FGZ hat dazu eigenes Befragungsinstrument zur Messung der ideologischen Ebene dieser Spaltung entwickelt. Dilger nahm die Zuhörenden mit in die empirische Arbeit über repräsentative Befragungen mit und stellte viele aktuelle Ergebnisse daraus vor.
Ein klares Jein
Dilgers Antwort auf die Frage „Leben wir in einer gespaltenen Gesellschaft?“ sei ein „klares soziologisches Jein“. Spaltungen seien partiell und feststellbar, je nach dem, welchen Ausschnitt man betrachtet oder welche Methode man anwendet.
Die partielle Spaltung äußere sich deutlich in Protest, Wahlverhalten und zum Teil auch in Radikalisierung. Aber nicht zu vergessen sei, dass nicht nur ein Problem die demokratische Verarbeitung von Konflikten sei, sondern auch eine Triebkraft für diese Verarbeitung, wie Dilger am Beispiel der Klimaproteste zeigte.
Klimakrise am Dienstag, dem 6. Juni
Die Vorlesung am 6. Juni befasst sich speziell mit dem Klimawandel, nicht naturwissenschaftlich, sondern mit dem Blick auf dessen fundamentale Folgen für unser Leben als Einzelne und als Gesellschaft. Die SPIEGEL-Journalistin und Sachbuchautorin Dr. Susanne Götze zeigt in der Vorlesung „Zeitenwende in der Klimakrise: Der Wandel und seine Bremser“, dass von aktuellen Entscheidungen gegen ein „Weiter so“ abhängt, wie gerecht, gesund und sicher die nächsten Generationen leben werden. Das jüngste Buch Götzes „Klima außer Kontrolle. Fluten, Hitze, Stürme – wie Deutschland sich schützen muss“ erhielt im November 2022 den NDR-Sachbuchpreis.
Die Vorlesung am Dienstag, dem 6. Juni 2023 findet von 17:30 Uhr bis 19 Uhr im Zentrum für Medien und Soziale Arbeit der Hochschule Mittweida, Bahnhofstraße 15, statt.
Alle Informationen zur zu den Vorträgen und Vortragenden der Öffentlichen Ringvorlesung: www.hs-mittweida.de/ringvorlesung
Die Vorlesungen stehen nach jeweils 14 Tagen auch zum Nachschauen auf dem Youtube-Kanal der Hochschule Mittweida zur Verfügung.