Sensorik der Hochschule Mittweida beschleunigt die deutschen Rennschlitten
Sensorik der Hochschule Mittweida beschleunigt die deutschen Rennschlitten
Engere Kooperation mit Thüringer Schlitten- und Bobsportverband (TSBV) in der Forschung und für die bessere Vereinbarkeit von sportlicher und beruflicher Karriere.
Julia Taubitz und ihre Team-Kamerad:innen rodeln gerade in der Erfolgsspur: drei Medaillen, davon zwei goldene, bei der Heim-Weltmeisterschaft in Altenberg am letzten Januar-Wochenende, eine Woche später an gleicher Stelle beim Weltcup die Siege von Taubitz und Max Langenhan und zuletzt am 10. Februar die Erfolge von Merle Fräbel und Taubitz in Oberhof. Von Mittweida aus gratuliert Hochschulrektor Professor Volker Tolkmitt Taubitz zu diesen Erfolgen. „Ich freue mich für Julia und das deutsche Team. Im vergangenen Jahr hatten wir in Mittweida mit ihr und Bundestrainer Andi Langenhan Vorgespräche geführt. Mitte Januar 2024 haben die Hochschule und der TSBV ihre erweiterte Kooperation festgezurrt.“
In der Vereinbarung geht es um die „gemeinsame Lösung spezieller Forschungs- und Entwicklungsaufgaben und der beruflichen Förderung von Spitzensportlerinnen und Spitzensportlern“. Zwei Aufgaben, die auf den ersten Blick nichts miteinander zu tun haben, in deren Umsetzung aber die Hochschule Mittweida viele Kompetenzen und Erfahrungen einbringt. Für die eine Aufgabe ermöglicht sie als Hochschule des Spitzensports Leistungssportler:innen unter anderem über die individuelle Gestaltung des Studienablaufs, die sportliche Karriere mit der akademischen zu verbinden. Prominente Spitzensportler:innen unter ihnen sind Eric Frenzel (Nordische Kombination) und Steffi Kriegerstein (Kanu).
Sehen und Messen: Datenfusion bei 130 km/h
Für die andere Aufgabe setzt die Hochschule Mittweida auf ein interdisziplinäres Team von Spezialist:innen für Mess- und Werkstofftechnik, Software, Date-Science und Virtual-Reality. Ziel der Zusammenarbeit auch hier: die Sportler:innen zum Erfolg zu führen. „Ansatzpunkt dafür ist die Mensch-Schlitten-Interaktion“, erklärt Professor Christian Schulz von der Fakultät Ingenieurwissenschaften. „Wo tausendstel Sekunden über Medaillen entscheiden, kommt es auf kleinste Bewegungen an, mit denen die Fahrer:innen den Schlitten mit bis zu 130 Kilometern pro Stunde durch die Bahn steuern. Aber diese Kräfte kann man nicht sehen, nur messen. Wir erfassen sie über Sensoren im Schlitten und zeichnen sie während der Abfahrt auf.“
Der Clou des Messsystems aus Mittweida: Die Daten werden mit der Videoaufzeichnung einer Kamera auf dem Schlitten kombiniert. „Wir synchronisieren pro Sekunde 120 hochaufgelöste Kamerabilder mit den Messdaten, das heißt im Bereich von wenigen Millisekunden oder – bezogen auf die zurückgelegte Strecke des Schlittens während der Abfahrt – auf wenige Zentimeter genau. Zu jedem Einzelbild werden die Messdaten eingeblendet.“ Diese Datenfusion macht eine integrierte Darstellung der Abfahrt möglich. So wird besser erkennbar, wie die Sportler:innen durch Bewegung, Gewichtsverlagerung und Druck den Schlitten steuern und wie der Schlitten sich daraufhin tatsächlich in der Bahn verhält.
Trainer Jan Eichhorn: „Wir warten darauf.“
Trainer:innen und Atlhlet:innen können unmittelbar nach der Abfahrt nachvollziehen, welcher Impuls welche Auswirkungen hatte – und das im weiteren Training gezielt optimieren. „Die Trainer:innen warten darauf“, sagt Jan Eichhorn, Stützpunkttrainer in Oberhof. „Mit dem System ergänzen wir die bisherige reine Videoauswertung. Ich freue mich über die Zusammenarbeit mit der Hochschule Mittweida und bin gespannt auf den regelmäßigen Einsatz im Training.“
Johannes Ludwig, Doppel-Olympiasieger von Peking 2022, war der erste Testfahrer für die Entwicklung des Systems. Profitieren soll neben den aktuellen Medaillenjäger:innen vor allem der Nachwuchs, damit der schneller an die Spitze kommt. Ab März wird der B-Kader mit dem System aus Mittweida trainieren. Das ist so kompakt, dass es im vorderen Teil des Schlittens Platz findet und nicht stört.
Die Hochschule Mittweida und der Olympiastützpunkt in Oberhof arbeiten schon seit rund 15 Jahren im Bereich der Materialforschung zusammen. Professor Frank Müller, inzwischen emeritierter Kollege von Schulz, hatte besonders die Optimierung der Kufen im Blick. Mitte Januar wurde nun die erweiterte Kooperation im Bereich der datenfusionierten Messung und Auswertung vereinbart.