Dialog Kontrovers: Kampf der Generation
Dialog Kontrovers: Kampf der Generation
Gelungener Auftakt am 26. März mit „Ossis gegen Wessis“. Am 9. April steht der „Gender Shift“ im Mittelpunkt der öffentlichen Diskussionsveranstaltung.
Mit der Diskussion unter der Überschrift „33 1/3 Jahre Ossis gegen Wessis – oder: Welche Generation schafft denn die 'innere Einheit'?“ startete am 26. März die sechsteilige Reihe Dialog Kontrovers an der Hochschule Mittweida (HSMW). Moderator Professor Christoph Meyer führte in die Reihe und in die „Grundtatsachen zu Generationen“ ein: Sein Generationsrechenschieber ermöglicht die Sichtbarmachung von Prägung aufgrund von Lebensalter und zeitgeschichtlichen Ereignissen. Meyer ist Prorektor für Bildung an der HSMW und Direktor des Instituts für Kompetenz, Kommunikation & Sprachen (IKKS) der Hochschule. Das IKKS organisiert den Dialog Kontrovers im jährlichen Wechsel mit der Öffentlichen Ringvorlesung.
Die Gäste auf dem Podium haben die Wende aus unterschiedlichen generationalen Perspektiven erlebt: Franziska Wetterling als Vertreterin der dritten Generation Ost schilderte, wie sie als Jugendliche im Osten ihre Identität inmitten enormer politischer, wirtschaftlicher und sozialer Veränderungen ohne weitreichende Unterstützung aus der Elterngeneration finden musste – und wie dies bis heute ihr Leben und ihre Identität bestimmt.
Professor Stefan Busse, Professor emeritus für Psychologie an der HSMW, ließ die Mitdiskutierenden und Besucher:innen teilhaben an seinem Erleben der Umbrüche der sozialistischen Realitäten, dem Verlust von Sicherheiten und strukturellen Veränderungen – daran, was es für ihn bedeutete, zum „Ostdeutschen gemacht“ zu werden und wie auch ihn diese Erfahrungen immer noch prägen.
Vanessa Beyer und ihre Mitstreiter:innen von Projekt „(K)Einheit“ sind ohne direkte Erinnerungen an die Teilung Deutschlands oder das Leben im Sozialismus. Sie verspüren weniger Bindung an eine ostdeutsche Identität, merken aber immer noch deren Nachwirkungen auf sich – vermittelt durch die älteren Generationen und auch die Gesellschaft.
Vielfalt macht Identität aus
Die Diskussion hat gezeigt, dass die regionalen Identitäten im vereinten Deutschland sich verändern, da die Erfahrungen der Teilung für viele junge Menschen zunehmend historisch und weniger unmittelbar relevant werden. Auch die Vertreter:innen der jüngeren Generationen im Saal halten aufgrund wachsender kultureller und sozialer Integration weniger stark an den traditionellen Begriffen „Ossi“ und „Wessi“ fest. Vielmehr tendieren sie zu einer stärkeren Betonung des Gemeinsamen.
Einigkeit herrschte aber darüber, dass manche Unterschiede aufgrund wirtschaftlicher Disparitäten, sozialer Strukturen und Netzwerke und kultureller Eigenheiten noch länger bestehen bleiben. Auch die besonderen kollektiven Erinnerungen und Identitäten der älteren Generationen spielen hier eine Rolle. Doch diese Unterschiede machen gleichzeitig einen wichtigen Teil der regionalen Vielfalt und Identität Gesamtdeutschlands aus.
Nächster Dialog am Dienstag: Rollenverlust fürs Geschlecht
Die kleine werdende Bedeutung eines schon immer gerne auch als „klein“ karikierten Unterschieds beschäftigt die zweite der insgesamt sechs Veranstaltungen des „Dialog Kontrovers“ am Dienstag, dem 9. April, um 17:30 Uhr. Dann geht es um die Frage: „Megatrend Gender Shift – Diversität als Normalität?“
„Gender Shift“ meint kurz gesagt: Geschlechterrollen verlieren an Verbindlichkeit. Ein „Megatrend“ ist diese Entwicklung, weil sie weltweit beobachtet wird und Auswirkungen auf die Gesellschaft hat. Debatten-Potenzial hat das Thema zweifellos, auch im Dialog der Generationen.
Dann diskutieren Eunike Zobel vom Verein different people e.V., die Kulturwissenschaftlerin und Sozialanthropologin Pauline Seuß sowie Simon Moses Schleimer, Professor für Soziale Arbeit und Migration an der HSMW. Moderiert wird die Runde von Patricia Kröber, Professorin für Sozialpädagogik und Beratung an der HSMW. Der Dialog Kontrovers ist öffentlich. Interessierte Bürger:innen aller Generationen sind herzlich eingeladen, mitzudiskutieren.
Der Eintritt ist kostenlos. Aktuelle Informationen zu Themen und Personen finden sich auf der Internetseite des Dialog Kontrovers.
Kampf der Generationen kontrovers diskutiert
Ältere Menschen schätzen Beständigkeit – jüngere Menschen sind offen für Veränderungen: Sind das bloße Klischees oder gültige Beschreibungen? Schwächen die Unterschiede und Konflikte zwischen den Generationen eine Gesellschaft oder machen sie sie widerstandsfähiger und zukunftsfähiger? Was ist jung, was ist alt? Ist diese Ein- oder Zuordnung nützlich, um die eigene Identität zu finden und im Alltag besser zurechtzukommen, oder bremst sie die Einzelnen eher aus? Wo finden sich Chancen, dass der Kampf der Generationen kein Kampf gegeneinander ist, sondern ein gemeinsamer für gemeinsame Ziele?
Die Vielfalt der Felder für ein Miteinander oder Gegeneinander der Generationen ist groß. Der Dialog Kontrovers der Hochschule Mittweida nimmt im Sommersemester sechs Felder heraus und beleuchtet, was die Generationen trennt und was sie verbindet – in Bezug auf Politik, technologischen Wandel, Medien, Umwelt und Klima sowie kulturelle Normen und soziale Werte.
Text: Babett Nimschowski/Helmut Hammer
Fotos: Raphael Heimann
Grafik: IKKS