Hauptsache gesund – Hauptsache vernetzt
Hauptsache gesund – Hauptsache vernetzt
Wie moderne Medizininformatik die medizinische Versorgung verbessert. Die Hochschule Mittweida ist Teil des Medical Informatics Hub in Saxony (MiHUBx) und bindet ihre Studierenden praktisch ein.
Alle Menschen möchten gesund sein. Sind sie krank, rechnen sie damit, dass die Medizin mit wirksamen Behandlungen hilft. Das gelingt besser und schneller, wenn die medizinische Forschung dazu beiträgt, Erkrankungen, deren Ursachen und den Kampf gegen sie immer besser zu verstehen. Dafür benötigt die Forschung – anonymisierte – Informationen und Daten aus der Behandlung von Patientient:innen. Effektiver wird dieser Kreislauf, wenn die Daten und die daraus abgeleiteten Erkenntnisse über eine gemeinsame Infrastruktur für Ärzt:innen in Kliniken und ihre niedergelassenen Kolleg:innen, für Patient:innen sowie für Forschende nutzbar sind.
Hier setzt das sächsische Projekt Medical Informatics Hub in Saxony (MiHUBx) an. Als Teil der Medizininformatik-Initiative (MII) des Bundes arbeiten seit 2021 Verbundpartner:innen aus Medizin und Informatik an einer solchen sektorübergreifenden und dienstleistungsbezogenen Infrastruktur.
Einer der Partner:innen ist die Medieninformatik der Hochschule Mittweida. Sie war am 16. Januar Gastgeberin der Mitgliederversammlung von MiHubX mit rund dreißig Vertreter:innen von Hochschulen, Kliniken und Krankenhäusern sowie niedergelassenen Ärzt:innen.
Datenschatz und Datenschutz für die Medizin
Aufgabe der Mittweidaer Forschenden um die Professoren Marc Ritter und Christian Roschke im Projekt ist es, praxisnahe Anwendungen zu entwickeln, mit denen die vielen und unterschiedlichen Daten analysiert werden können. Dabei kommen maschinelle Lernverfahren sowie Content- und Interaction-Design zum Einsatz. Ziel ist, die bisher isolierten Daten in einen integrierten Datenschatz für die Medizin zu verwandeln, der es ermöglicht, Einsichten über Auftreten, Verlauf und Therapieverlauf spezifischer Krankheiten zu gewinnen und daraus Entscheidungen für die individuelle Therapie von Patient:innen abzuleiten.
Ritter sieht „herausragende Perspektiven für die intersektorale Forschung“, betont aber auch: „Der Schlüssel zum Erfolg bei der Entwicklung zukünftiger KI-gestützter medizinischer Entscheidungshilfen liegt in der sorgfältigen Berücksichtigung der strengen datenschutzrechtlichen Vorgaben für den Umgang mit Patientendaten.“ Die Auswirkungen des neuen Gesundheitsdatennutzungsgesetzes (GDNG) stellte Benny Platte von der HSMW während der Mitgliederversammlung in einem – angeregt diskutierenden – Workshop vor.
Augenheilkunde trifft auf Diabetologie
Die Projektpartner vom MiHUBx erproben ihre Entwicklungen in sogenannten Use Cases für drei Anwendungsbereiche: Computergestützte Therapieentscheidungshilfen für diabetesbedingte Augenerkrankungen; Digitale Vorhersage von Gesundheitskrisen wie schwere Hitzeereignisse und Pandemien; sowie Personalisierte Krebsmedizin. Den aktuellen Stand der Use Cases stellten Vertreter:innen der Partner bei der Mitgliederversammlung vor.
Für Use Case 1 berichtete die Arbeitsgruppe um Professor Danny Kowerko von der TU Chemnitz und Benny Platte von der Hochschule Mittweida. Aufgaben der Forschenden aus Mittweida sind die Anwendung und Optimierung von Verfahren zur KI-basierten augenheilkundlichen und diabetischen Analyse und Therapievorhersage sowie zur KI-basierten Datenexploration und -visualisierung. Das Ziel besteht in der Entwicklung und Evaluation computergestützter Entscheidungshilfen für Ärzte, die Patienten mit Augenkrankheiten behandeln, die in Verbindung mit diabetologischen Erkrankungen stehen. Mithilfe von KI sollen Daten aus beiden Krankheitsverläufen kombiniert werden, um präzisere Vorhersagen zu ermöglichen, die die Auswahl geeigneter Therapien unterstützen und langfristig die Behandlungsoptionen verbessern.
Zu den wichtigsten Fortschritten im Projekt der vergangenen Monate gehören: die Einrichtung des ersten nicht-universitären DIZ (Datenintegrationszentrum) am Klinikum Chemnitz, das an die Medizininformatik-Initiative (MII) angebunden ist. Außerdem erlaubt die Vernetzung mit Fachgesellschaften wie der Technologie- und Methodenplattform für die vernetzte medizinische Forschung (TMF e.V.), der Deutschen Hochdruckliga, dem Sächsischen Hausärztinnen- und Hausärzteverband (SHÄV) sowie der Deutschen Gesellschaft für Telemedizin (DGTelemed) ein gemeinsames Bearbeiten von Forschungsfragen. Schließlich ermöglichen neue interdisziplinäre Studienpartnerschaften die partizipative Nutzbarmachung umfangreicher Datenschätze mit niedergelassenen Ärzt:innen.
Studium trifft Praxis
Professor Marc Ritter, auch Dekan der Fakultät Angewandte Computer- und Biowissenschaften der Hochschule Mittweida, nutzte die Gelegenheit, das Mittweidaer Modell der akademischen Ausbildung in der Medieninformatik vorzustellen. Im Bachelorstudiengang „Medieninformatik und Interaktives Entertainment“ ist eine über drei Semester laufende Lernfeldreihe „Wissenschaft und Wirtschaft integriert. Dort entwickeln die Studierenden in Gruppen interaktive Softwareprodukte.
Das Besondere: Die Themen dafür kommen, wie im späteren Berufsleben auch, aus einem breiten Spektrum von Partner:innen aus Wissenschaft und Wirtschaft. So entstanden in der Vergangenheit Prototypen für ein virtuell begehbares Auge sowie einen für das Behandlungsvorzimmer angedachten Amsler-Gitter-Test zur frühen Erkennung von Netzhautschäden inklusive Fragebogen zur schnellen Anamnese mittels Tablet-PC. Auch die Entwicklung von Benutzeroberflächen für ein onkologisches Patient:innenportal ist angedacht. Ritter ist überzeugt, dass seine Studierenden für die Bedienbarkeit und Attraktivität eines solchen Portals wertvolle Impulse liefern können.
Hochschulinterne und externe Stakeholder und Dozent:innen leiten die Studierenden bei der Bearbeitung der umfangreichen Aufgaben über den ganzen Bearbeitungsprozess hinweg an. So meistern sie elementare Projektschritte in interdisziplinären Aufgaben und lernen von Anfang an, sich mit den Anforderungen ihrer „Auftraggeber:innen“ auseinanderzusetzen. Zum strukturierten Ablauf gehören regelmäßige Konsultationen, in denen die Studierenden ihren Fortschritt präsentieren und Feedback erhalten – sowie am Ende jeden Semesters die gemeinsame Abschlusspräsentationen vor den Dozent:innen, Kommiliton:innen und den externen Partner:innen.
Die Modulreihe „Wissenschaft und Wirtschaft“ ist elementarer Bestandteil des studiengangsübergreifenden Lehrkonzepts „Digital Skills and Products“ von Ritter und seinen Professorenkollegen Christian Roschke und Matthias Vodel. Ritter wurde hierfür im Jahr 2021 mit dem Sächsischen Lehrpreis ausgezeichnet.
Der Medical Information Hub in Saxony wird im Rahmen der Medizininformatik-Initiative des Bundes vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert.