Lenins Leichnam ist seit Jahrzehnten in Moskau ausgestellt, die Asche des britischen Schauspielers Ian Richardson (gest. 2007) ist unter der ersten Zuschauerreihe des Royal Shakespeare Theatre in Stratford-upon-Avon einbetoniert und das Grab von Jim Morrison ist eine Pilgerstätte, wo Fans des "The Doors"-Frontmanns Kerzen und Fotos hinterlassen. Wir bewahren Liebesbriefe auf oder bringen uns aus dem Urlaub eine Muschel zur Erinnerung mit.
Diese Beispiele aus der Gegenwart markierten das moderne Ende der Frage nach der Bedeutung von Reliquien, die Dr. Thomas Labusiak mit Goethes Gedicht "Bei Betrachtung von Schillers Schädel" eröffnete und mit Bildern von Reliquien Heiliger in kostbaren Gefäßen fortsetzte. Die christliche Tradition verehrt diese Bilder seit dem 2. Jahrhundert, verbunden mit der Sehnsucht, die darin präsente Kraft und Wunderwirkung der Heiligen gehe hilfreich und heilsam auf den über, der sie berührt.
"Was aber ist daran modern, wenn wir heute vergänglichen Überresten eine Bedeutung beimessen? Warum lassen wir die Reliquien nicht vermodern?" fragte Labusiak am Ende seines Vortrags. Wir reichern tote Materie geistig an, um Vergangenes präsent zu halten. Wir möchten Spuren gegen den Zerfall hinterlassen und letztlich ist es wohl ein Ringen von uns Lebenden mit der Vergänglichkeit: "Als ob ein Lebensquell dem Tod entspränge ... Dich höchsten Schatz aus Moder fromm entwendend" (Goethe).
Dr. Thomas Labusiak ist Kunsthistoriker und Kustos der Domschätze Halberstadt und Quedlinburg. Unter die Überschrift "Das Beste sind die Reste" stellte er am vergangenen Mittwoch die dritte Veranstaltung der öffentlichen Ringvorlesung an der Hochschule.
Von Flaschentrocknern und Fettecken
Am Mittwoch dieser Woche bleibt die Ringvorlesung bei der Antwort auf die Frage "Was ist modern?" dem Metier treu und wagt "eine kurze Geschichte der modernen Kunst". Dr. Björn Egging, Kurator des Kunstmuseums Wolfsburg sieht die Moderne noch nicht am Ende, denn "nun ist bis heute auf einmal alles Kunst, was Warhol, Beuys und andere zur Kunst erklären".
Die Veranstaltungen der Ringvorlesung sind öffentlich. Bürgerinnen und Bürger der Hochschulstadt sind herzlich willkommen.
Ort und Zeit der nächsten Veranstaltung der Ringvorlesung:
Mittwoch, 2. April, 17:45 Uhr ,Carl-Georg-Weitzel- Bau (Haus 1 der Hochschule) Raum 1-019C, Technikumplatz 17
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