"Gäste WIKO frei" stand auf den Schildern, die am 19. und 20. November die Besucher auf die reservierten Parkplätze an der Leisniger Straße aufmerksam machten. "WIKO" ist die hausinterne Abkürzung für die Internationale Wissenschaftliche Konferenz Mittweida (IWKM), die in diesem Jahr zum 24. Mal stattfand.
Seit 1971 stellen diese Konferenzen mit wechselnden Schwerpunkten einen Höhepunkt im jeweiligen Wissenschaftsjahr dar. Dies betonte auch Professor Gerhard Thiem, Prorektor für Forschung und Entwicklung, der als Tagungsleiter in seinem Eröffnungsvortrag die Leistungen der Hochschule in Forschung und Wissenschaft vorstellte. Mit über 7 Mio. Euro an jährlich eingeworbenen Drittmitteln, 169 Drittmittelbeschäftigten und 65 Promovenden behauptet die Hochschule ihren Spitzenplatz unter den Fachhochschulen. Mit drei fakultätsübergreifenden Forschungsschwerpunkten ist der Standort Mittweida auf der Forschungslandkarte eingezeichnet: Lasertechnologien, Netzgestütztes Lernen und Produktionswissenschaften/Prozessentwicklung.
Die positiven Auswirkungen der Forschungsaktivitäten auf die Stadt und die Region würdigte Oberbürgermeister Ralf Schreiber in seinem Grußwort. Mit den Projekten "Zukunftsstadt Mittweida" und "Smart City Mittweida" gestalteten die Wissenschaftler darüber hinaus auch ganz unmittelbar die Zukunft der Hochschulstadt Mittweida mit.
Die diesjährige Konferenz stand unter den Schwerpunktthemen "Maschinenbau - Lasertechnik - Industrie 4.0".
IWKM 2015 - das waren zwei Tage mit sechs Tagungsgruppen und Workshops, über 60 Vorträgen, Posterbeiträgen und mehr als 350 Teilnehmern aus Forschung und Industrie, Mittweidaer Nachwuchsforschern und Forschungsgruppen, die aktuell bearbeitete Themen vorstellten.
Prof. Ulrich Schmucker vom Fraunhofer-Institut für Fabrikbetrieb und -automatisierung IFF in Magdeburg griff bereits in seinem Plenarvortrag in der Eröffnungsveranstaltung das aktuelle Konferenzthema auf und zeigte die vielfältigen Möglichkeiten und Ressourcen, die ein am IFF entwickeltes Entwurfssystem speziell für die Simulation und Optimierung im Sonderanlagenbau besitzt. Mit diesem könne schon in der Programmierphase und lange vor der Inbetriebnahme einer Anlage deren Betrieb simuliert werden.
Vielfältiges Forschen
Am Nachmittag starteten die ersten Konferenzangebote. In der Tagungsgruppe Prozessentwicklung 4.0 ging es unter der Leitung von Prof. Leif Goldhahn und Prof. Gerhard Gebhardt zunächst um digitales und virtuelles Engineering für Teilefertigung und Montage sowie um Aspekte des Qualitätsmanagements und der Messtechnik. Unter den Referenten waren zahlreiche Mittweidaer Absolventen, die mit ihren Beiträgen einmal mehr die Verbundenheit mit ihrer ehemaligen Bildungsstätte bewiesen.
Die Materialwissenschaftler um Prof. Frank Köster befassten sich in der Tagungsgruppe Werkstoff- und Oberflächentechnik unter anderem mit der Verbesserung mechanischer Eigenschaften abgeschiedener Schichten und dem Einsatz von bestimmten Schweißverfahren zur Herstellung mikrostrukturierter Apparate.
Im Workshop Moderne Bildungsangebote für die digitale Arbeitswelt befassten sich die Teilnehmer um Dr. Dagmar Israel mit der Entwicklung von neuen Lehr- und Lernkonzepten für unterschiedliche Anwendungsszenarien.
Die Tagungsgruppe Prozessentwicklung 4.0 startete in den zweiten Tag mit den Schwerpunktthemen Robotik und Steuerungstechnik unter Leitung von Prof. Alexander Winkler sowie Ressourceneffizienz durch Technik, Mensch und Organisation, geleitet durch Prof. Leif Goldhahn.
Prof. Jörn Hübelt und Dr. Delev Schulz leiteten die Tagungsgruppe Maßnahmen zur Lärmminderung, die sich mit Schwerpunkten der Akustik und der Geräuschoptimierung befasste. Unter den Teilnehmern befand sich auch eine Studentengruppe der Ernst-Abbe-Hochschule Jena, die mit dem Referenten Prof. Bruno Spessert angereist war.
Die Tagungsgruppe Energieeffizienz tagte im Wasserkraftwerk Mittweida. Hier befassten sich Bert Schusser und die Teilnehmer mit dem Thema Energielieferverträge für Unternehmen. Neben Hinweisen zur Ermittlung der richtigen Messdaten freuten sich die Teilnehmer vor allem auch über konkrete Handlungsanleitungen vor Abschluss eines Energieliefervertrages.
Den Konferenzschwerpunkt Lasertechnik beleuchtete die 9. Mittweidaer Lasertagung unter Leitung von Prof. Horst Exner. In Sichtweite des im Frühjahr 2016 in Betrieb gehenden Institutsgebäudes des Laserinstitut Hochschule Mittweida trafen sich die 140 internationalen Laser-Fachleute im Zentrum für Medien und Soziale Arbeit. Einen Blick in das neue Gebäude konnten die Besucher aber bereits werfen: Verschiedene Unternehmen der Lasertechnik präsentierten sich dort mit ihren Produkten und Dienstleistungen.
Zur Abendveranstaltung am Donnerstag im Wasserkraftwerk Mittweida fanden sich Referenten und Gäste der Konferenz in lockerer Atmosphäre zusammen.
Nachdem er am Nachmittag bereits als Referent in der Tagungsgruppe Prozessentwicklung 4.0 tätig war, entführte Dr. Otfrid Liepack die Gäste ins Weltall. Als Mitarbeiter des Jet Propulsion Laboratory in Pasadena (USA) ist er an führenden unbemannten NASA-Missionen wie Galileo, Cassini u.a. beteiligt. Aktuell betreut er die Mission GRACE-Follow on und gab einen interessanten Überblick über die Ziele und Methoden der Mission. Eine Führung durch das Wasserkraftwerk rundete die Veranstaltung ab.
Preiswürdige Arbeiten
Die erstmals während der Konferenz stattfindende Posterschau "Angewandte Forschung an der Hochschule Mittweida" demonstrierte eindrucksvoll die Vielfalt und Leistungsfähigkeit der Forschungstätigkeit an der Hochschule. Prorektor Gerhard Thiem eröffnete die Posterschau mit dem Wunsch, die Ausstellung als einen festen Bestandteil künftiger Konferenzen zu etablieren.
Neben den renommierten Forschungsgruppen gaben vor allem auch Nachwuchswissenschaftler Einblicke in die aktuell von ihnen bearbeiteten Forschungsthemen. Die Nachwuchswissenschaftler waren es dann auch, die sich über eine Prämierung ihrer Poster freuen konnten.
Ausgezeichnet wurden folgende Poster:
Robert Leidenfrost, Röbbe Wünschiers: "Proteinproduktion ohne Lebewesen - Entwicklung eines in vitro Expressionssystems für (Cyano-)Bakterien"; Eric Zuchantke, Röbbe Wünschiers, Herbert Tomaso: "Forensische Mikrobiologie: Effiziente Klassifikation von Hasenpesterregern"; Nadine Wappler, Röbbe Wünschiers, Karsten Helbig, Jost Weber: "Analyse der Photo-Wasserstoffproduktion eines neuartigen Rhodobacter Stamms"; Maik Benndorf , Thomas Haenselmann: "FloodEvac: Verletzbarkeit von Transport-Infrastrukturen- Warnung und Evakuierung bei Hochwasser".
Auch Auszeichnungen für herausragende Abschlussarbeiten gehören zur IWKM.
In der Plenarveranstaltung am Donnerstag wurde Maschinenbau-Absolvent Sebastian Wagner M. Eng. mit dem Gerhard-Neumann-Preis für seine hervorragende Masterarbeit zum Thema "Bewertung der Computertomographie als integraler Bestandteil der Prüfmittelplanung" ausgezeichnet. Bekannt aus der Medizin bietet die Computertomographie auch völlig neue Einblicke in das Innere von Baugruppen, die bisher durch Schnitte zerstört werden mussten, um Längenmessungen an den Bauteilen vorzunehmen.
Den Carl-Springe-Preis verlieh die Hochschule während der Abendveranstaltung in diesem Jahr an zwei Absolventen.
Marc Nestler M.Sc. erhielt den Preis für seine Abschlussarbeit zum Thema "Realitätsnahe Ansteuerung der Antriebskomponenten eines Elektrorennfahrzeuges (FSE) auf dem Motorenprüfstand, als Vorstufe eines Fahrsimulators". Die Arbeit hatte einen unmittelbaren Anwendungsbezug an der Hochschule selbst: Sie unterstützt den Aufbau des Rennfahrzeugs für TMM, das "formula student" Motorsportteam der Hochschule, das in Zukunft mit einen E-Auto an den Start geht.
Die zweite mit dem Carl-Springe-Preis ausgezeichnete Arbeit ist die Bachelorarbeit von Martin Kürbis B.Sc. zum Thema "Verteilte Rechenstrategien in Mehragentensystemen und ihre Anwendung zur Modellierung von Schwarmverhalten in Mobilen Netzwerken"
Die Scientific Reports der diesjährigen Tagung stehen hier zum Download bereit.
Text: Annett Kober und Helmut Hammer
Fotos: Helmut Hammer