„Lügenpresse“ – ein Vorwurf steht im Raum und prägt die Debatte im deutschen Journalismus nun schon seit über einem Jahr. Journalisten werden auf offener Straße angegriffen, verbal und auch körperlich. Gleichzeitig fühlen sich viele Menschen in ihren Ansichten nicht mehr repräsentiert, streuen ihre Meinungen und Vermutungen in sozialen Netzwerken und entwickeln ihre ganz eigenen, oft propagandistischen Plattformen im Internet. Warum will man in diesen Zeiten noch Journalist werden? Warum will man berichten, Artikel schreiben, Radiobeiträge und Videos schneiden, an die „hot places“ gehen?
Unter dem Motto „Weil Wahrheit (er)zählt“ hat die Mitteldeutsche Journalistenschule (MJS) auch im Jahrgang 2015/2016 aus zahlreichen Bewerbungen zehn neue Volontärinnen aufgenommen. Sie wurden am 21. Januar 2016 im Zentrum für Medien und Soziale Arbeit der Hochschule Mittweida von Medien-Dekan Professor Michael Hösel und MJS-Koordinator Marcus Jänecke offiziell begrüßt. Die erfahrenen Journalisten Doreen Grasselt und Falk Ester von der Chemnitzer Morgenpost machten ihren zukünftigen Berufskolleginnen Mut angesichts der aktuellen Debatte um die Glaubwürdigkeit der Medien. Grasselt und Ester sprachen über die Macht der Bilder in den klassischen und den privaten Medien sowie über veränderte Produktionsbedingungen wie das schnelle Veröffentlichen im Internet oder das zunehmend Klick-getriebene Setzen von Themen. Klassische Tugenden bleiben aktuell wie die Unvoreingenommenheit der Journalisten, die gründliche Recherche und die kritische Sicht auf die Themenflut im Netz.
Medien können die Demokratie stärken
„Es gibt keine spannendere Zeit, um sich für eine Karriere im Journalismus zu entscheiden. Es braucht wieder Mut, sich für objektive Fakten stark zu machen. Die Vermittlerrolle der Medien in einer Demokratie ist heute gleichzeitig schwerer und wichtiger als vielleicht je zuvor“, so Marcus Jänecke, Koordinator der Mitteldeutschen Journalistenschule. Er war für die Auswahl der Bewerbungen mitverantwortlich: „Mir ist es wichtig, dass die Volontäre Bereitschaft für Neues mitbringen, die Fähigkeit zur Selbstorganisation und zur Reflexion. Bei allen Journalistenschülern habe ich diesen Eindruck bekommen und weiß, dass sie ihren Weg gehen werden.“ Dass es im neuen Jahrgang keinen einzigen Mann gibt, erkärt Marcus Jänecke mit den besseren journalistischen Qualifikationen der weiblichen Bewerbern in diesem Jahr.
Auch die "älteren" Volontäre der MJS waren zur feierlichen Begrüßung eingeladen. Somit konnten die Neulinge schon einmal nachhaken, was auf sie zukommen wird. Eine von ihnen, Danielle Schmitt, erzählt: "Die kreativen Aufgaben in unterschiedlichen Bereichen fördern nicht nur die journalistischen Fähigkeiten, sondern helfen mir im Studium. Vor allem für das bevorstehende Praktikum habe ich dadurch sicher gute Chancen." Daniela Möckel ist eine der neuen. Die engagierte Medienmanagement-Studentin hat im Sommer 2015 ein Praktikum in einer Lokalzeitung gemacht und war auch davor bereits als Medienmacherin aktiv. „Für mich ist der Weg klar. Ich sehe die Herausforderung, vor der wir als angehende Journalisten vielleicht noch stärker stehen werden. Trotzdem kann ich mir keinen schöneren und interessanten Beruf vorstellen: Informationen zuerst haben, Themen näherbringen, echte Geschichten erzählen."Das macht jeden Tag zu einem Erlebnis“, erklärt die 19-Jährige.
Und ihre Volontärskollegin Virginie Brand, selbst Bloggerin, ergänzt: „Wir sind quasi mit dem Internet aufgewachsen. Wir können es mitgestalten und den journalistischen Anspruch hochhalten.“
Die Ausbildung an der MJS
Das Volontariat an der MJS verläuft für Bachelorstudenten über 18 Monate, für Masterstudenten 12 Monate. Die MJS ist in Trägerschaft der AMAK AG und ein freiwilliges Angebot für Studenten der Medienstudiengänge der Hochschule Mittweida. Die MJS ist mit ihrem studienbegleitenden, kostenfreien und
konfessionslosen Ansatz einmalig in Deutschland. In Workshops, Feedbackrunden, Exkursionen und Projekten üben die angehenden Journalisten wichtige Bestandteile ihres Handwerks: Recherche, Textkompetenz, das Führen von Interviews sind nur ein Bruchteil der angebotenen Themen. Das Volontariat schließt mit einem Zertifikat ab, dass die ergänzende Ausbildung als Journalist bescheinigt.