Bedingungsloses Grundeinkommen für alle – also Lohn ohne Arbeit. Was ist das? Warum soll das gut sein? Und: Wie soll das gehen? Das waren die Fragen, denen Wolfgang Scherer, ehemals Professor für Sozialpolitik an der Hochschule Mittweida, in der 8. Veranstaltung der aktuellen öffentlichen Ringvorlesung "Konkrete Utopien" am vergangenen Mittwoch nachgegangen ist.
Ein Grundeinkommen oder Bürgergeld für alle ist eine ziemlich alte Idee: Sie geht auf Frühsozialisten wie Thomas Paine und Thomas Spence zurück und ist damit ein Kind der Aufklärung. Das Thema hat aber auch eine ganz aktuelle Brisanz:
Die Schweizer werden am 5. Juni dieses Jahres in einem Volksentscheid darüber befinden; in Finnland steht die Frage für 2017 auf der Tagesordnung. In Deutschland ist es nach heftigen Debatten und öffentlichem Nachdenken über diese „konkrete Utopie“ in den letzen Jahren wieder verschwunden und von „aktuelleren“ Fragen - je nach politischer Couleur - nach „Arbeit für alle“ oder „Arbeit für Deutsche“ überlagert worden.
In seinem lebendigen Vortrag machte Wolfgang Scherer zunächst klar, wovon sich dieses „Grundeinkommen“ von allen bisherigen sozialstaatlichen Ver- und Fürsorgeleistungen unterscheiden soll: Es ist bedingungslos und das heißt ohne Bedürftigkeitsprüfung und ohne Kontrolle. Es steht allen zu, ob sie arbeiten oder nicht! So eindeutig dieses „Was“ auch zu sein scheint, so vielfältig sind die Begründungen und die Argumente, die unterschiedliche Verfechter hier ins Feld führen. Sie reichen von eher marktorientierten und neo-liberalen Positionen (die Arbeit geht aus, die Streichung aller sozialpolitisch motivierten Regulierungen des Arbeitsmarktes und staatlicher Einmischung in einen freien Markt etc.) bis hin zu emanzipatorischen und marktkritischen Standpunkten (Sinn der Arbeit, Teilhabe aller am gesellschaftlichen Leben, Wachstumskritik etc.).
Noch komplizierter und unüberschaubarer wird es, wenn es ums Rechnen beziehungsweise um die Frage geht, wer das wie bezahlt. Hier schwankt nicht nur der imaginäre Betrag zwischen 400 und 1500 Euro, sondern vor allem die Quellen sind strittig, aus denen sich dies speisen könnte. Sollte es die bis 50-prozentige Einkommenssteuer oder besser die 50-prozentige Mehrwertsteuer sein, sollte es mit einem Einkommen wieder verrechnet werden (sog. negative Einkommenssteuer), soll nur Arbeit oder auch Vermögen einbezogen werden etc.?
Damit gelangt man schnell wieder zu den substantiellen Grundfragen unserer gegenwärtigen Gesellschaft: Was ist gerecht? Was wollen und können wir uns leisten? Was ist ein gutes Leben? Und schließlich: Wer sind „alle“?
Die Zuhörer sind dem Vortrag mit kritischer Aufmerksamkeit gefolgt. So reichten auch die Kommentare von „Milchmädchenrechnung“ bis „doch an dieser Utopie als Idee“ festzuhalten.
Nächste Vorlesung an diesem Mittwoch: "Saatgut – Gemeingut oder Kommerz? Die Utopie des Bio-Landbaues!"
Saatgut trägt wie Boden, Wasser und Luft traditionell den Charakter eines Gemeingutes. Seit ca. 10.000 Jahren ist vom Bauern das Saatgut von Generation zu Generation weiter gegeben und weiter entwickelt worden. Vor rund 150 Jahren setzte eine Spezialisierung der Landwirtschaft mit der Herauslösung der Pflanzenzüchtung und der Kommerzialisierung des Saatgutes ein. Heute ist Saatgut Spekulationsobjekt und befindet sich mehrheitlich im Besitz von Großkonzernen, die so Einfluss auf die Ernährungssouveränität des Menschen nehmen. Innerhalb des Biodynamischen Landbaues ist durch Pioniere eine Bewegung entstanden, das Saatgut zurück auf die Höfe zu bringen, in die Gemeinnützigkeit zurückzuführen und eigene Sorten zu züchten. Im Vortrag berichtet Dr. Hartmut Spieß über die Erfahrungen, dies zukunftsträchtig umzusetzen.
Diese nächste Vorlesung findet am Mittwoch, dem 25. Mai, um 18:15 Uhr im Hörsaal 39-041 (Peter Schütt Hörsaal) im Zentrum für Medien und Soziale Arbeit (Bahnhofstraße 15) statt. An der linken Gebäudeseite ist ein barrierefreier Zugang.
Weitere Informationen zur 3. Öffentlichen Ringvorlesung an der Hochschule Mittweida hier