Der Pflanzenschutzhersteller Bayer will den Saatguthersteller Monsanto übernehmen. Diese Meldung hat das Thema der neunten Vorlesung innerhalb der Ringvorlesung auch für die in einen aktuellen Zusammenhang gebracht, die sonst eher weniger über Saatgut nachdenken. Dass das Thema in der heutigen Zeit aber auch „Ottonormalverbraucher“ etwas angeht, zeigte die Veranstaltung am vergangenen Mittwoch. Unter dem Titel „Saatgut – Gemeingut oder Kommerz? Die Utopie des Bio-Landbaues!“ führte Dr. habil. Hartmut Spieß anschaulich und informativ in die Thematik ein und gab den Zuhörern mehr als nur einen Denkanstoß.
Spieß ist Diplom-Agraringenieur und Leiter der Abteilung Forschung & Züchtung des Dottenfelderhofs im hessischen Bad Vilbel. Er stellte zunächst das Zeitalter des „Antrophozäns“ vor, also des Zeitalters, in dem der Mensch zum wichtigsten bio- und geologischen Akteur geworden ist. Er zeigte die vielen Problemfelder auf, wie beispielsweise den Klima-Wandel, den Verlust an Artenvielfalt und den gestörten Stickstoff-Kreislauf, die der Mensch hauptsächlich zu verantworten hat.
Danach widmete sich Spieß den Grundmaximen eines biologisch-ökologischen Landbaus, der als Antwort auf den Ressourcenverschwendung des Menschen gesehen werden sollte: Diese sind das Wirtschaften im Einklang mit der Natur, eine Sicht auf Landwirtschaft als Organismus Mensch-Tier-Pflanze-Boden und das Prinzip der Nachhaltigkeit oder Enkelgerechtigkeit. Das Saatgut spielt in dieser Art von Landbau eine wichtige Rolle, denn nicht jede Getreide- oder Gemüsesorte eignet sich für einen biologischen Anbau, der ohne den Einsatz von Pestiziden, leicht löslichen Mineraldüngern und Gentechnik auskommen muss.
Demgegenüber steht allerdings eine fortschreitende Kommerzialisierung und Konzentration des Saatgut-Sektors, der heute größtenteils von multinationalen Chemiegiganten dominiert wird. So stellte Hartmut Spieß fest, dass es vor 30 Jahren rund 7 000 Saatgutfirmen gab, von denen keine einen Marktanteil hatte, der größer als ein Prozent war. Aktuell kontrollieren zehn Konzerne über 75 % Prozent des Weltmarkts für Saatgut.
Doch nicht nur diese Konzentrationsprozesse, auch die Geschäftsgebaren und -modelle der Konzerne seien problematisch: Hatten Bauern Jahrtausende lang einen Teil der Ernte als Saatgut für die nächste Saison verwendet, so ist dies mit F1-Hybrid-Hochleistungssorten nicht mehr möglich. Diese müssen jedes Jahr vom Bauer neu zugekauft werden. Zudem bedürfen diese Sorten auch des Einsatzes von teilweise spezifischen Pestiziden, die die Saatgut-/Chemiekonzerne gleich mitliefern. Zum Teil lassen sich diese Firmen auch spezielle Sorten patentieren - wie Monsanto, das im Jahr 2013 ein Patent auf „geköpften Brokkoli“ erwirkte. Das wirft die grundsätzliche ethische Frage auf, ob es Patente auf Lebewesen überhaupt geben sollte.
Dagegen skizzierte Dr. Spieß die Aufgabe, der sich der Dottenfelderhof und andere Bio-Züchtungs-Initiativen verschrieben haben: der Züchtung von Sorten, die für den Biolandbau geeignet sind und von den Bauern wiederverwendet werden können. Die Entwicklung einer solchen neuen Sorte ist hoch komplex und dauert circa 15 Jahre. Am Beispiel des Winterweizens zeigte Spieß, dass dieser rund 40 Eigenschaften benötigt, um biologisch erfolgreich angebaut werden zu können.
Streng genommen ist die Züchtung dieser Sorten somit keine Utopie. Die liegt vielmehr darin begründet, dass sich diese Form gegen die Marktmacht und -modelle der Saatgutkonzerne durchsetzt.
Vorlesung in dieser Woche:
Liegt die Zukunft hinter uns? Warum wir positive Zukunftsbilder bitter nötig haben.
Angesichts von Klimawandel, Krisen und Katastrophen werden neue Formen der Mobilität, Architektur und Stadtplanung oder des sparsamen Konsums gebraucht. Nachhaltige Handlungsweisen für eine neue gesellschaftliche Utopie, gibt es bereits. Ihre Protagonisten sind „praktische Visionäre“, die für eine andere gesellschaftliche Verfassung kämpfen und sich vom Wachstumsparadigma der Industriegesellschaft abkehren... Ob Bewohner einer Millionenmetropole, Bürger einer Provinzstadt oder Ehrenamtliche im ländlichen Raum: sie sind die „Avantgarde“ und sie sind die Akteure gesellschaftsrelevanter Zukunftsbilder. Last but not least sind sie die Hauptpersonen in den „Geschichten des Gelingens“ der Stiftung FUTURZWEI. Referentin Dana Giesecke ist wissenschaftliche Leiterin von FUTURZWEI – Stiftung Zukunftsfähigkeit.
Diese nächste Vorlesung findet am Mittwoch, dem 1. Juni, um 18:15 Uhr im Hörsaal 39-041 (Peter Schütt Hörsaal) im Zentrum für Medien und Soziale Arbeit (Bahnhofstraße 15) statt. An der linken Gebäudeseite ist ein barrierefreier Zugang.
Weitere Informationen zur 3. Öffentlichen Ringvorlesung an der Hochschule Mittweida hier