Sie hat ein Deutschlandstipendium - und sie ist keine Deutsche. Unter den Deutschlandstipendiaten der Hochschule Mittweida ist erstmals auch eine Chinesin: Si Ni. Sie studiert in Mittweida Elektro- und Informationstechnik im Doppelabschlussprogramm mit dem Changshu Institute of Technology (CIT) in China. Changshu liegt etwa eine Autostunde nordöstlich von Shanghai in einer der chinesischen Boom-Regionen. Neben weiteren Standorten hat das CIT dort einen modernen Campus auf der grünen Wiese mit etwa 6 000 Technik-Studierenden. Die Studierenden erhalten die Grundlagenausbildung in Changshu und können dann nach Mittweida wechseln. Si Ni hat bereits mit sehr gutem Erfolg zweieinhalb Jahre in Changshu studiert und ist nun nach bestandenem Deutschkurs für anderthalb Jahre in Mittweida. Am Ende ihres Studiums hat sie dann den Bachelorabschluss der Hochschule Mittweida und den ihrer Hochschule in China.
Kein leichter Weg
Der Weg nach Deutschland war für Si und ihre chinesischen Kommilitonen nicht leicht: Pro Jahrgang werden am CIT etwa 80 Studierende im Studiengang Elektro- und Automatisierungstechnik zugelassen. Davon können nach einer Auswahlprüfung nur maximal 50 Studierende nach Mittweida kommen, um dort ihren Studienabschluss zu machen. Nach dem ersten Deutsch-Unterricht in China mussten sie sich im Sommer zunächst im Deutsch-Intensivkurs im Studienkolleg der Hochschule Mittweida auf das weitere Studium vorbereiten. Si Ni gehört zum ersten Jahrgang mit insgesamt 43 Studierenden. Davon haben 27 ihre Deutschprüfung nach drei Monaten bestanden und studieren nun an der Fakultät Iingenieurwissenschaften Elektro- und Informationstechnik mit der Spezialisierung Automatisierungstechnik. Die anderen chinesischen Studierenden belegen noch ein weiteres Semester den Deutschkurs.
Die Mittweidaer Erfahrungen mit Doppelabschlussprogrammen mit China sind nicht neu: Bisher haben rund zwanzig chinesische Studierende einen Bachelorabschluss an der Hochschule Mittweida abgelegt, und rund ein Drittel davon hat hier oder an einer anderen deutschen Hochschule ein anschließendes Masterstudium aufgenommen.
Gegen die hohen Hürden steht die Motivation der chinesischen Studierenden für das Studium in Deutschland. Sie legen Wert auf das gute Ingenieurstudium in Deutschland und haben mit dem Abschluss bessere Chancen auf einen Job in Deutschland oder bei einer der vielen deutschen Firmen rund um Changshu. Für diese sind die chinesischen Absolventen mit deutschem Abschluss ein Bindeglied zwischen China und Deutschland.
Das ist auch schon lange vor Studienabschluss für den Stifter des Deutschlandstipendiums von Si Ni der Beweggrund, seine Stipendiatin zu fördern. Der Geschäftsführer der F+U Sachsen gGmbH in Chemnitz, Dr. Volkmar Meinhold, kennt die großen Anstrengungen der chinesischen Studenten in Vorbereitung auf das Studium in Deutschland - sowohl bei der Erlangung des erforderlichen Sprachniveaus C1 als auch bei der Bewältigung des Lehrstoffs. Über die Deutschlandstipendiatin der F+U Sachsen gGmbH sagt Dr. Meinhold: „Frau Si Ni hat von Beginn an diese erforderliche Einsatzbereitschaft in hervorragender Weise verkörpert und damit die Intentionen des Doppelabschlussprogramms ‚gelebt‘. Mit der Vergabe des Deutschlandstipendiums an Si Ni bekennen wir uns zur Verantwortung für die sprachliche und interkulturelle Vorbereitung auf das Studium an der Hochschule Mittweida. Nach ihrem Studium wird Si Ni einmal als gut ausgebildete Fachkraft dazu beitragen, die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Deutschland und China zu festigen und das gegenseitige Verständnis füreinander zu fördern.“
Beidseitiger Austausch
Die deutschen Professoren aus Mittweida hatten Si Ni bereits in China als sehr gute, interessierte und auch sozial engagierte Studentin kennen gelernt. Das Doppelabschlussprogramm beinhaltet auch den Austausch von Lehrenden: Regelmäßig reisen Lehrende aus Mittweida nach Changshu. Zuletzt waren im April 2016 Professor Christian Schulz und Professor Alexander Lampe dort und haben bei etwa 70 Studierenden Lehrveranstaltungen auf Deutsch gehalten. Dies ist Teil des Studienprogramms, das technische Fächer und verstärkte Deutsch-Sprachausbildung kombiniert. Ende des vergangenen Jahres waren zwei Dozenten aus Changshu in Mittweida. Davor konnten bereits Anfang November zwei ihrer Kolleginnen die Hochschule, die Labore sowie die Hochschulstadt und ihre Umgebung kennenlernen. Zurückgekehrt nach China können sie so ihre am Doppelabschlussprogramm interessierten Studierenden besser vorbereiten.
Professor Alexander Lampe vergleicht das Studieren in China und Deutschland: „Der Lehrplan in den Ingenieurwissenschaften in China ist vom theoretischen Ansatz her mit dem deutschen vergleichbar und auch Praktika werden zunehmend eingeführt. Aufgrund der identischen Begrifflichkeiten ist es in den Ingenieurwissenschaften relativ einfach, in China Lehrveranstaltungen auf Deutsch oder Englisch zu halten, sofern die Studenten grundlegende Sprachkenntnisse haben. Die wesentlichen Unterschiede bestehen in der Art der Stoffvermittlung: Bei uns in Deutschland legen wir mehr Wert auf das Verstehen von Zusammenhängen anstelle von reinem Faktenwissen. Auch erarbeiten deutsche Studierende ihr Wissen eigenständiger als die Kommilitonen in China.“ Von dieser unterschiedlichen Art der Wissensvermittlung bzw. –aneignung abgesehen seien die chinesischen Kommilitonen ebenfalls ganz normale Studenten, die auch mal eine Vorlesung schwänzen, ergänzt der Professor.