„Das Leben gehört dem Lebendigen an, und wer lebt, muss auf Wechsel gefasst sein“, sagte schon Goethe. Und daran hat sich bis heute nichts geändert. Aktuelle Herausforderungen für die Gesellschaft sind beispielsweise Klimawandel, Digitalisierung, demografischer Wandel, Mobilität und die Wertediskussion. Diese zum Teil globalen Wandlungsprozesse vor dem Hintergrund des regionalen Horizonts zu diskutieren, hatte sich der jüngste gemeinsame Workshop von Hochschule und Hochschulstadt Mittweida zum Ziel gesetzt. Unter der Überschrift „Gesellschaftliche Wandlungsprozesse in Mittelsachsen gestalten“ trafen sich am 13. März Fachleute, Studierende und Bürger im Zentrum für Medien und Soziale Arbeit an der Hochschule Mittweida, um gemeinsam über Lösungsansätze zu sprechen.
Die Veranstaltung war Abschluss des interdisziplinären Forschungsprojekts „Gesellschaftliche Wandlungsprozesse - Innovative Ansätze zur Gestaltung gesellschaftlicher Wandlungsprozesse“. Wissenschaftler von drei Fakultäten der Hochschule Mittweida hatten seit Juni 2015 innovative Lösungen zum Umgang mit diesen Herausforderungen im Freistaat Sachsen allgemein in sächsischen Kommunen speziell erarbeitet.
Das gemeinsame Grußwort von Rektor Hilmer und Oberbürgermeister Ralf Schreiber demonstrierte die gute Zusammenarbeit von Hochschule und Stadt Mittweida. „Dass das funktioniert, zeigen bereits die Erfolge aus den letzten Workshops“, freute sich der Oberbürgermeister.
Der Workshop in dieser Woche war ein weiterer in einer Reihe von gemeinsamen Veranstaltungen von Stadt und Hochschule. Darauf blicken Hochschulrektor und Stadtoberhaupt stolz zurück.
Vier Schritte auf dem Weg in eine bessere Zukunft
Mit Blick in Richtung Zukunft war Gesamtprojektleiter Professor André Schneider zuversichtlich: „Durch den heutigen Workshop erhoffen wir uns neue Ansätze zum Weitermachen. Wandlungsprozesse sind ja nichts, was irgendwann abgeschlossen ist – es geht immer weiter.“
Vier für Mittweida und Region wichtige Themen standen im Mittelpunkt:
Wertevermittlung in sächsischen kleinen und mittleren Unternehmen, neue Formen der crossmedialen Bürgerbeteiligung im digitalen Zeitalter, Smart Mobility und Erhöhung der Energieeffizienz mit technischem Rundgang im Zentrum für Medien und Soziale Arbeit.
Vier Referenten führten in kurzen Impulsvorträgen in diese Themen ein, die im Anschluss in kleineren Gruppen diskutiert wurden. Nach 90 Minuten versammelten sich alle Gruppen und tauschten ihre Ergebnisse aus.
Werteorientierte Unternehmensführung
„Wer zufrieden zur Arbeit geht, ist produktiver und innovativer – das ist wissenschaftlich erwiesen! Gerade die jüngeren Generationen suchen sich Unternehmen, die zu ihren eigenen Wertevorstellungen passen“, so Dr. Julia Köhler, die gemeinsam mit Professor Schneider den Workshop „Werteorientierte Unternehmensführung“ vorstellte. Aber wie vermittelt ein Unternehmen seine Werte wirkungsvoll? Storytelling als Methode zur Wertevermittlung war nur einer der Diskussionspunkte, zu dem die Workshopteilnehmer sich austauschen konnten. Die 16 Teilnehmer berichteten von eigenen Erfahrungen mit Storytelling in ihrem Arbeitsumfeld. „Das Erzählen von Geschichten eignet sich gut, um nachvollziehbare Beispiele aufzuzeigen, wie Werte im unternehmerischen Alltag umgesetzt werden können“, fasst Prof. Schneider zusammen.
Crossmedial ist ideal
Auch Tamara Huhle, Professorin für Crossmedia, machte Lust auf ihren Workshop zum Thema „Neue Formen der crossmedialen Bürgerbeteiligung im digitalen Zeitalter“. Gemeinsam mit ihrem studentischen Team setzte sie es sich zum Ziel, die Zusammenarbeit von Hochschule und Stadt zu fördern, besonders auch in Form von Bürgerbeteiligung an Entscheidungen der Kommune.
„Crossmedia erlaubt durch Emotionalisierung entsprechende Dialoge mit den Menschen in Mittweida“, so Huhle. „Damit eine rege Beteiligung auch wirklich zustande kommen kann, ist Wissen nötig, das die Kommunen in einem offenen Dialog zur Verfügung stellen müssen“.
Leider haben noch nicht alle Kommunen das Potenzial von verstetigter Bürgerbeteiligung zur breiteren Akzeptanz von Entscheidungen erkannt - Mittweida kann hier als Modellprojekt angesehen werden.
Nicht nur sparsam, sondern effizient
„Energie und deren Bereitstellung sind der Treibstoff jeder Industriekette“, weiß Professor Jörg Mehlis, der den anschließenden Workshop zum Thema „Energieeffizienz“ gemeinsam mit seinem Kollegen Professor Ralf Hartig leitete. Im Workshop verdeutlichten sie die Thematik an einfachen Alltagsgegenständen. So demonstrierte das Projektteam beispielsweise eine Energie-Monitoring-Software an einem Wasserkocher. Die Software bereitet die Messdaten bildlich auf und macht sie so greifbarer.
Der Tagungsort selbst ist ein gutes Beispiel für energieeffiziente Gebäude.
„34 Erdsonden sind in der Erde hinter dem Zentrum für Medien und Soziale Arbeit verbaut und dienen sowohl zum Wärmen als auch zum Kühlen“, erklärte Mehlis beispielsweise das Fehlen klassischer Heizkörper.
Dass es bei Energieeffizienz aber nicht nur um das Energiesparen geht, sollte der Workshop ebenfalls zeigen. „Es ist sehr wichtig, erst einmal Fehlfunktionen festzustellen und dem Nutzer auch zu zeigen, wie er die entsprechende Messtechnik anwenden muss, um energieeffizienter zu handeln“, weiß Mehlis.
Im anschließenden Rundgang durch das Zentrum für Medien und Soziale Arbeit konnten sich die Teilnehmer in den technischen Betriebsräumen ein Bild von den Ausgangsbedingungen machen sowie vom Umfang der Aufgabe, ein Energiemanagement überhaupt erst einzuführen.
„Der Mensch ist als Fahrer nicht geeignet“
Mit diesem Ausspruch leitete Professor Christian Schulz den Workshop zum Thema „Smart Mobility“ ein. Autonomes Fahren sei schließlich schon länger im Gespräch und Schulz diskutierte mit seinen Teilnehmern einige mögliche Zukunftsszenarien, in denen kein Fahrer mehr hinter dem Steuer sitzt. Gegenstand waren unter anderem Chancen und Risiken, die autonomes Fahren mit sich bringen könnte. „Dabei denken wir nicht nur an Parkplatzentlastung und die Konzeption neuer Betreibermodelle. Es eröffnen sich auch für unsere Hochschule ganz neue Möglichkeiten, was die Ausbildung in diesem Bereich betrifft“, fasst Schulz die Chancen zusammen
Natürlich stehen einer solchen Innovation auch immer Hemmnisse im Weg: Dinge wie die Schuldfrage im Falle eines Verkehrsunfalls oder die Frage nach Datenschutz bei Installation einer Innenraumkamera sind noch lange nicht geklärt.
„Was schon feststeht, ist die Chance für Mittweida als Kleinstadt mit Hochschule, sich aktiv an dieser Entwicklung zu beteiligen“, so Schulz. Deshalb diskutierten die Workshopteilnehmer auch konkrete Schritte, um Mittweida als Testfeld für das autonome und vernetzte Fahren im kleinstädtischen und ländlichen Raum zu etablieren.
Interdisziplinäre Forschung für brennende Fragen der Gesellschaft
Das Projekt „Gesellschaftliche Wandlungsprozesse - Innovative Ansätze zur Gestaltung gesellschaftlicher Wandlungsprozesse“ an den Fakultäten Ingenieurwissenschaften, Wirtschaftsingenieurwesen und Medien der Hochschule wurde von Juni 2015 bis Ende März 2017 durch das Sächsische Ministerium für Wissenschaft und Kunst (SMWK) gefördert.
Das anwendungsorientierte Forschungsvorhaben arbeitete eng mit Wirtschaftspartnern, öffentlichen Einrichtungen und der Bevölkerung zusammen. Dieser Charakter des Miteinanders verschiedener Akteure im Ringen um wichtige Zukunftsfragen herrschte auch beim Workshop in dieser Woche.
Auch nach Auslaufen des Forschungsvorhabens bleiben die Themen auf der Tagesordnung. Die Vernetzung von Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft ist in der Hochschulstadt Mittweida und der Region inzwischen beispielhaft.
Weitere Informationen zum Forschungsprojekt hier
Fotos: Marina Beisel (1, 3-9), Helmut Hammer (2)