Innenminister Markus Ulbig, Justizminister Sebastian Gemkow und der Rektor der Hochschule Mittweida Prof. Dr. Ludwig Hilmer haben heute in Dresden eine Vereinbarung zur Zusammenarbeit von Behörden und Wissenschaft im Bereich Cyberkriminalität geschlossen.
Straftaten im Bereich Cybercrime sind eine wachsende Herausforderung für die Strafverfolgungsbehörden in Deutschland. Anzahl und Ausmaß solcher Straftaten nehmen jährlich zu. Es geht dabei sowohl um Straftaten gegen IT-Systeme als auch um Verbrechen, bei denen Informationstechnik das Werkzeug ist.
Sachsens Polizei und Justiz reagieren mit Unterstützung aus der Wissenschaft auf diesen kontinuierlichen Anstieg von Straftaten sowie auf die zunehmende Professionalisierung bei der Internetkriminalität. Mit der Unterzeichnung werden die drei Partner ihre Kooperation insbesondere bei Forschung und Entwicklung, in praxisbezogenen Anwendungen sowie in der Lehre, Aus- und Fortbildung zur Verfolgung von Straftaten im Bereich Cybercrime intensivieren und bündeln.
Schon seit einigen Jahren sind die IT-Forensiker der Hochschule Mittweida im Bereich IT-Sicherheit/Cybercrime Partner verschiedener Stellen auf Landes- und Bundesebene, so auch des LKA Sachsen, der sächsischen Polizei und Staatsanwaltschaften im Freistaat. Die Zusammenarbeit betrifft sowohl die Weiterbildung als auch die Ermittlungsunterstützung.
Ludwig Hilmer, Rektor der Hochschule Mittweida, freut sich über die Vereinbarung: „Wir gehen einen großen Schritt in die richtige Richtung. Forschung an der Hochschule und Anwendung in den Behörden können Hand in Hand gehen. Das ist eine Antwort auf die große Dynamik, der wir bei der Entwicklung neuer Technologien und deren Einsatz für die Planung und Durchführung von Cyberverbrechen gegenüberstehen.“
Ein wesentlicher Bestandteil der künftigen Zusammenarbeit ist die Konzipierung und Erprobung praxisbezogener Anwendungen, insbesondere die Neu- bzw. Weiterentwicklung IT-gestützter Ermittlungsmethoden. Für die Kooperation in der Aus- und Fortbildung werden zunächst gemeinsam Konzepte entwickelt und Lehrkräfte ausgetauscht. Die einzelnen Kooperationspartner profitieren so von erweiterten Fach- und Methodenkenntnissen, die in unterschiedlichen Maßnahmen vermittelt werden. Zudem können Studierende der Forensik-Studiengänge leichter Praktika und Abschlussarbeiten an den Behörden des Freistaates absolvieren.
„Mit dieser Vereinbarung betreten wir Neuland: Es soll gut ausgebildeten Fachkräften der Weg in die Behörden ermöglicht werden. Wir schaffen einen zusätzlichen Pool an Fachkräften für die Bekämpfung von Cybercrime. Durch die Praktika in den Behörden lernen die Studierenden früh und besser den Alltag und dessen Herausforderungen kennen“, so Ludwig Hilmer.
Keine Einbahnstraße: Fortbildung für Kriminalbeamte, Praktika für Studierende
Der Schwerpunkt der Kooperation zwischen der Sächsischen Polizei und der Hochschule Mittweida liegt vor allem in den Bereichen Lehre sowie der Aus- und Fortbildung. So wurden gegenseitige Hospitation und Vorträge, die regelmäßige Teilnahme an Fortbildungsveranstaltungen und die fachspezifische Fortbildung von Polizeibediensteten vereinbart. Praktika für Studierende im Rahmen einzelner konkreter Ermittlungsverfahren sollen das Interesse für den Polizeidienst wecken, um künftig ausreichend qualifizierte Bewerber für die Verwendung als Experten im Computer- und Internetkriminalitätsdienst zu gewinnen.
Dazu erklärt Sachsens Innenminister Markus Ulbig: „Die heute vereinbarte Kooperation ist ein weiterer wichtiger Meilenstein zur erfolgreichen Bekämpfung und Strafverfolgung der Cyberkriminalität in Sachsen. Es ist wichtig, dass die Strafverfolgungsbehörden sowohl mit der technischen Entwicklung, als auch mit der wachsenden Professionalisierung der Straftäter im Internet Schritt halten. Hierfür ist neben einer guten Ausrüstung, auch die entsprechende Qualifizierung des Personals in den Strafverfolgungsbehörden eine wichtige Voraussetzung.
BigData in der Justiz: Wissenschaftliche Methoden machen Ermittlungsarbeit effektiver
Im Bereich der sächsischen Justiz sollen die gemeinsame Entwicklung und Anwendung IT-gestützter Ermittlungsmethoden sowie die kontinuierliche Aus- und Fortbildung von Richtern und ermittelnden Staatsanwälten die Bekämpfung von Internetkriminalität noch effektiver machen. So könnten beispielsweise digitalforensische Untersuchungsmethoden es ermöglichen, in gerichtsverwertbarer Weise große Datenmengen gezielt auszuwerten und damit Taten und Täter sicher zu identifizieren.
Sachsens Justizminister Sebastian Gemkow: „Die Bündelung gemeinsamer Kompetenzen und der Ausbau der Zusammenarbeit mit der Hochschule Mittweida sind ein wichtiger Schritt für die noch effektivere Bekämpfung und Verfolgung von Internetkriminalität. Im Rahmen der Zusammenarbeit wird die Justiz ihre Kooperationspartner fortlaufend über neue Entwicklungen in der Internetkriminalität und der Digitalisierung sowie über die hieran anknüpfenden Ermittlungs- und Beweisanforderungen im Strafprozess informieren. Sächsische Staatsanwaltschaften werden sich an der projektbezogenen Zusammenarbeit in Forschung und Entwicklung beteiligen, zum Beispiel durch die Anwendung aktueller Forschungsergebnisse. Im Ergebnis werden die sächsischen Strafverfolger damit zukünftig auf neueste wissenschaftliche Ermittlungsmethoden der digitalen Forensik zurückgreifen können.“
Viel Fälle und große Vielfalt: Internetkriminalität nimmt zu
Die Bandbreite der mittels Internet begangenen Delikte ist groß und reicht von der Beleidigung über Betrugsdelikte bis hin zum Waffen- und Drogenkauf im sogenannten „Darknet“. In den vergangenen Jahren ist ein Anstieg der Straftaten mit dem Tatmittel Internet auch in Sachsen erkennbar (2012: 7.631 Fälle; 2015: 9.971 und 2016: 10.269 Fälle). Dabei ist bei Cybercrime von einem sehr hohen Dunkelfeld auszugehen, denn Betrugsfälle werden nicht angezeigt, weil zum Beispiel Unternehmen einen Imageschaden befürchten.
Allein auf die zentralen Einrichtungen des Sächsischen Verwaltungsnetzes (SVN) gab es im Jahr 2016 rund 1.400 Hacker-Angriffe. In 50.000 Fällen wurde Schadsoftware aus dem unverschlüsselten Web-Verkehr entfernt. In den rund 106 Millionen eingegangenen E-Mails wurden über 75.000 Schadprogramme gefunden und entfernt – fast eine Verdreifachung gegenüber 2015.
Angewandte Informatik: Wissenschaftliche Kompetenz und Wissenstransfer aus Mittweida
Einer der Forschungsschwerpunkte der Hochschule Mittweida ist die angewandte Informatik. Dort hat sie sich in den Forschungsgebieten IT-Forensik und IT-Sicherheit in den vergangenen Jahren einen hervorragenden Ruf aufgebaut. Die Mittweidaer Forensik-Spezialisten um Prof. Dr. rer. nat. Dirk Labudde und Prof. Dr. rer. nat. Christian Hummert vermitteln dabei ihre Kompetenzen auch anwendungsnah in der Aus- und Fortbildung: zum Beispiel mit systematisch angelegten Forensik-Schulungen für das BKA, den Bund deutscher Kriminalbeamter, die sächsischen und thüringischen Landeskriminalämter sowie die Staatsanwaltschaften des Freistaates Sachsen; oder in neuen Studiengängen wie dem bundesweit einmaligen Bachelorstudiengang „Allgemeine und Digitale Forensik“, dem berufsbegleitenden Fernstudiengang „IT-Forensik/Cybercrime“ oder dem im kommenden Wintersemester startenden Masterstudiengang „Cybercrime/Cybersecurity“.
Die Kompetenzen in Mittweida führen auch zu weiteren Kooperationen. So wird am 20. September in Mittweida das gemeinsame „Lernlabor Internetsicherheit und Forensik“ der Hochschule Mittweida und des Fraunhofer-Institut für Sichere Informationstechnologie (SIT), in Darmstadt, eröffnet. Neben der Entwicklung von Weiterbildungsangeboten für Einsteiger und Experten gehört auch hier eine aktive Forschung in ausgewählten Bereichen der digitalen Forensik zu den Aufgaben.