eSport ist eine der am stärksten boomenden Branche der vergangenen Jahre. Preisgelder in Millionenhöhe, monatliche Spielergehälter im fünfstelligen Bereich und ausverkaufte Arenen und Stadien bei großen Turnieren sind dabei keine Seltenheit mehr. Doch geht es beim eSport tatsächlich um sportliche Leistungen? Was fehlt eSports noch zur Anerkennung als Sport durch Institutionen wie dem Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB)? Braucht der eSport diese Anerkennung überhaupt? Wie sieht die Zukunft dieser rasant wachsenden Branche aus?
Diese Fragen standen im Vordergrund des 4. Udo-Steinberg-Symposiums an der Hochschule Mittweida am Dienstag vergangener Woche. Professor André Schneider von der Fakultät Wirtschaftsingenieurwesen begrüßte im Namen des Organisationsteams die Teilnehmer und Referenten. Schneider freute sich, das Symposium in diesem Jahr an neuem Ort und mit neuem Format zu präsentieren: „mit vielen Pausen zum Netzwerken“. In einem wichtigen Aspekt sei man sich aber treu geblieben: der Interdisziplinarität.
Rektor Ludwig Hilmer betonte in seinem Grußwort die aktuelle Bedeutung des Themas: „eSport – da fragen manche: Setzt sich das durch? Ich frage: Warum hat es so lange gedauert? Die Digitalisierung wandelt gerade alle Lebensbereiche, die Wirtschaft , die Hochschule und auch den Sport. Über den Sport in der digitalen Welt wissenschaftlich nachzudenken – für diese Aufgabe ist dieser Kongress hervorragend besetzt."
So folgte am Vor- und Nachmittag ein ganzer Reigen von Fachvorträgen, der am Abend in einer Podiumsdiskussion zum Thema „Hype oder Trend – Wie viel Zukunftspotenzial steckt im eSport?“ gipfelte. Moderiert von Niklas „NiksDaBoy“ Kolorz, einem der bekanntesten deutschen eSports-Moderatoren, diskutierten Profispieler Niklas „aTTaX Johnson“ Krellenberg, der ehemalige Profi und eSports-Kommentator Timo „Horstor“ Prestin, Tobias Benz von con.eSports Ludwigsburg und Jun.-Prof. Dr. Thomas Borchert, Sportwissenschaftler der Universität Leipzig.
Den fachlichen Einstieg in das Symposium lieferte am Vormittag Tobias Benz. Seinen Vortrag eröffnete er mit einem stimmungsvollen Video und erklärte den Anwesenden die grundlegende Struktur im eSport: Demnach stünden die Spiele-Publisher an der Spitze. Sie könnten entscheiden wo, wann und zu welchen Konditionen ihre Spiele öffentlich gespielt und gezeigt werden dürfen. Die Frage, ob der eSport bereits in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist, beantwortete der Ludwigsburger tendenziell positiv.
Ist eSport ein „echter“ Sport?
„Ja, eSport ist als Sport zu definieren“. Zu dieser Schlussfolgerung kam das Team um Jun.-Prof. Dr. Thomas Borchert und Prof. André Schneider. So seien aus sportwissenschaftlicher Sicht alle Voraussetzungen gegeben, um eSports als Sportart auch in Deutschland anzuerkennen. „Wenn man die konstitutiven Merkmale von Sport und eSport übereinanderlegt, hat man eine große Schnittfläche. Das ist einfach so und das muss auch der Deutsche Olympische Sportbund irgendwann akzeptieren“, führte Borchert weiter aus.
Dennoch wird der eSport bis dato nicht als offizielle Sportart anerkannt, obwohl dies ein notwendiger Schritt wäre. „Vor zehn Jahren hat der Großteil der Szene gesagt, dass wir die Anerkennung als Sport nicht brauchen“, erklärte Timo „Horstor“ Prestin während der Podiumsdiskussion. „Es ist vielleicht nicht wirklich notwendig, doch es würde helfen. Immer wieder gibt es zum Beispiel Probleme, Visa für eSportler zu bekommen, vor allem in Ländern, in denen eSports nicht als Sport anerkannt ist.“ Obendrein würden sich dadurch event-rechtliche Vorteile ergeben, wie etwa der Zugang zu spezifischen Tarifen zum Erwerb von Musiklizenzen bei eSports-Veranstaltungen, die bislang anderen Sportarten vorbehalten sind, erklärte Stephanie Geithe von den EVENTLawyers Berlin, einer der Unterstützer des Udo-Steinberg-Symposiums.
Dabei gebe es jedoch in dieser doch relativ jungen Branche, die „eine Aufholjagd hin zum etablierten Profisport beschreitet“, wie es Jan-Hendrik Heuschkel von Freak 4U Gaming beschrieb, tatsächlich vor allem in Deutschland noch einige Baustellen. „Es fehlt hierzulande ein zentrales Organ, an das man sich wenden kann, wenn man Fragen zum eSports hat“, betonte Tobias Benz während der Podiumsdiskussion. „Menschen, die sich medienkulturellen und gesellschaftspolitischen Fragestellungen im eSports annehmen und Urteile fällen - ein Organ, das vielleicht sogar regulieren kann, was Spielinhalte und Spielregeln angeht.“ Das sei ein großes Manko, dass der eSport vor allem in Deutschland hat, ein „strukturelles Chaos“, wie es Timo Prestin bezeichnete.
Influencer oder Sportler?
Mit fortschreitender Entwicklung der Szene und prognostizierten Umsätzen von knapp 1,5 Milliarden US-Dollar im Jahr 2020 werden auch große Fußballvereine vermehrt aufmerksam auf eSport. Die große Schnittmenge von Fußballfans und eSport-Enthusiasten mache den elektronischen Sport für Fußballvereine zudem sehr interessant, wie es Prof. Dr. Peter Ehnold in seinem Vortrag "Der eSport Zuschauer als Fußballfan?", zeigte. Dabei werde eSport jedoch nicht etwa als Sport vermarktet, sondern in den Marketingabteilungen der Clubs als Instrument genutzt, um eine junge Zielgruppe zu erreichen und für den Verein zu begeistern. Die eSportler werden zu Influencern, bei denen es wichtiger sei, dass sie sich gut verkaufen und damit die Reichweite erhöhen, als dass sie die Besten der Besten in ihrem Spiel sind. Der Entertainmentfaktor rücke in den Vordergrund. „Der eSport ist ein Markt für Marken“, brachte es Tobias Benz treffend auf den Punkt.
Mutiert der eSport also eher zur Entertainment- und Marketingmaschinerie oder stehen trotzdem der Sport und die Höchstleistungen, die die Besten Gamer der Welt vollbringen, im Vordergrund? Wird es in Zukunft wichtiger sein, eine Persönlichkeit zu repräsentieren anstatt einfach ein Weltklasse-Spieler zu sein? Laut Jan-Hendrick Heuschkel werde beides eine entscheidende Rolle spielen, woraus sich auch Parallelen zum Fußball ergeben. Er verwies dabei auf den beispielhaften Vergleich in der öffentlichen Wahrnehmung zwischen Cristiano Ronaldo und Toni Kroos.
Deutschland hat einiges nachzuholen
Nach einer Reihe facettenreicher Präsentationen und kontroverser Debatten lässt sich festhalten, dass der eSport aus sportwissenschaftlicher Sicht ein Sport ist. Die Athleten vollbringen motorische und konditionelle Höchstleistungen. Sie werden von Trainern und Ernährungsberatern gefördert, um durch einen gesunden Lebensstil diese Höchstleistungen, wie 500-600 Aktionen mit Tastatur und Maus in der Minute auch Woche für Woche abrufen zu können. Deshalb ist eSports auch bereits in über 60 Ländern anerkannt Deutschland zählt nicht dazu, denn hier fehlt es vor allem an Strukturen, die in anderen Sportarten bereits existieren, sowie einer geforderten Gemeinnützigkeit oder Themen wie Inklusion, von denen man im eSport noch weit entfernt ist. Es liegt also noch viel Arbeit vor den Akteuren, die den eSport auch in Deutschland weiter vorantreiben wollen und einige Fragen, die es zu beantworten gilt. Man war sich einig: Auch der DOSB werde nicht drum herum kommen, den eSport früher oder später als Sportart anerkennen zu müssen.
Der Sportpionier Udo Steinberg an der Hochschule Mittweida
Der Namensgeber für das Symposium, Udo Steinberg, steht ebenfalls für einen Aufbruch im Sport. Er leitete von 1902 bis 1916 die Fußballschule des katalanischen Clubs FC Barcelona. Er studierte Maschinenbau und Elektrotechnik am Technikum Mittweida und sorgte dafür, dass Fußball und Leichtathletik in der Stadt Einzug hielten. Seit nunmehr vier Jahren findet ihm zu Ehren das Udo-Steinberg-Symposium für angewandte Forschung im Sport an der Hochschule Mittweida statt.
Zum Nachsehen: Moderator Niklas Kolorz hat das Udo-Steinberg-Symposium 2017 aus seiner ganz persönlichen Sicht in Form eines Youtube-Vlogs zusammengefasst.
Text: Maximilian Desczyk
Fotos: Helmut Hammer (1-4) und Max Glück (5-8)