Wie wird sich Mittelsachsen entwickeln? Was können wir für ein gutes Miteinander tun? Wie viele Kindergartenplätze brauchen wir in zehn Jahren? Welche Freizeiteinrichtungen werden benötigt? Um solche Fragen der sogenannten Daseinsfürsorge zuverlässig zu beantworten und die zukünftigen Aufgaben zu planen, arbeiten der Landkreis Mittelsachsen und die Fakultät Soziale Arbeit der Hochschule Mittweida seit Ende 2014 zusammen. Die Hochschule unterstützt den Landkreis in seinem Vorhaben, ein Konzept zur Integrierten Sozialplanung aufzubauen und auszugestalten. Das Projekt will den kommunalen Akteuren Impulse für die Weiterentwicklung der Sozialverwaltung und für die sozialplanerische Berichtstätigkeit geben.
Der im Projekt entstandene 1. Sozialbericht für den Landkreis lieferte bereits im Jahr 2017 Auskünfte über die Lebenssituation der Mittelsachsen. Aber die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Mittweida unterstützen und begleiten den Landkreis im langfristig angelegten Projekt weiter.
Anwendungsnah forschen im Studium
Seit Beginn der Forschungskooperation werden Masterstudierende im Rahmen von mehrsemestrigen Praxisforschungsprojekten einbezogen. Deren Forschungsarbeiten sind ein wichtiger Baustein für das fortlaufende kooperative Forschungsprojekt. So fand am 23. Januar bereits zum zweiten Mal eine Abschlusspräsentation unter dem Titel „Praxisforschungstag“ statt. Vor Vertreterinnen und Vertretern des Landkreises aus den Bereichen Jugend, Gesundheit, Soziales, dem Jobcenter sowie der Stabsstelle Asyl stellten die Arbeitsgruppen ihre Forschungsergebnisse vor. Grundlage der Forschungsarbeiten ist der erste Sozialbericht sowie vom Landkreis Mittelsachsen angeregte aktuelle Themen.
Projektleiterin Isolde Heintze, Professorin für Sozialpolitik und Soziale Arbeit, lobt ihre Studierenden: „Nach dreisemestriger intensiver Forschungsarbeit haben sie Ergebnisse vorgelegt, die dem Landkreis bemerkenswerte Impulse und wichtige Empfehlungen für die zukünftige Gestaltung der Lebensbedingungen in der Region sowie für die Weiterentwicklung der sozialen Infrastruktur vor Ort geben können."
Lebensnah forschen für den Landkreis
Unter dem Titel „Allein, Alleiner, Alleinerziehend – von der besonderen Belastung Alleinerziehender bei der Integration in den Arbeitsmarkt“ stellte eine Arbeitsgruppe ihre Ergebnisse zu der Forschungsfrage „Welche Faktoren beeinflussen die Beteiligung Alleinerziehender am Erwerbsleben im Landkreis Mittelsachsen?“ dar. Die Befunde liefern vor allem dem Jobcenter neue Erkenntnisse, an die dessen Vertreterinnen und Vertreter in ihrer Arbeit anknüpfen können.
Eine andere Arbeitsgruppe befasste sich mit dem Schwerpunktthema „Pflege und Demenz“. Die Studierenden gingen zwei zentralen Fragen nach: zum einen „Welche Bedarfe haben pflegende Angehörige von Demenzerkrankten? und zum anderen „Welche Unterstützungsmöglichkeiten bestehen bereits und wie wirksam sind diese?“. Aus den Ergebnissen konnten zentrale Handlungsempfehlungen für den Landkreis abgeleitet werden, da einerseits die Sicht der Betroffenen andererseits die der Expertinnen und Experten im Arbeitsfeld betrachtet wurden.
Eine weitere Forschungsgruppe widmete sich dem Thema „Asyl in Mittelsachsen“. Der quantitative Forschungsstrang der Arbeitsgruppe verdeutlichte die statistische Verteilung von Geflüchteten nach soziodemographischen Merkmalen im Landkreis Mittelsachsen. Die Studierenden entwickelten eine zielgruppenspezifische Angebotskarte, die in den nächsten Wochen online veröffentlicht werden soll. Ein zentrales Ergebnis des qualitativen Forschungsstrangs brachten die Forscherinnen und Forscher so auf den Punkt: „Die eigentliche Integrationsarbeit/Integrationsleistung beginnt erst jetzt und bildet eine gesamtgesellschaftliche Querschnittsaufgabe.“
Eine vierte Gruppe Studierender forschte zu dem aktuellen Thema „Bildungsempfehlungen“. Unter dem Titel „Einstellung der Eltern zur Bildungsempfehlung und zum Schulwechsel in die Sekundarstufe I“ präsentierten die Studierenden ihre Ergebnisse. Ausgangspunkt der Untersuchung waren die enormen Unterschiede der Erteilung der Bildungsempfehlungen von Region zu Region im Landkreis, aber auch von Schule zu Schule. Die Resultate zeigen, dass regionale Faktoren, wie z.B. die Entfernung zur weiterführenden Schule ebenso Einfluss auf die Schulwahl nehmen wie die Bildungsbiografie der Eltern sowie ökonomische und zeitliche Faktoren.
Jörg Höllmüller, 2. Beigeordneter des Landkreises zeigte sich im Nachgang an den Praxisforschungstag sehr erfreut über die praxisnahen Ergebnisse der Studierenden: „Dass das Landratsamt auch neue niedrigschwellige Wege nutzen könnte, um zum Beispiel Alleinerziehende, Menschen mit Fluchterfahrungen oder auch pflegende Angehörige noch besser über Beratungs- und Unterstützungsmöglichkeiten zu informieren, ist eine wichtige Anregung, die ja in drei von vier Forschungsgruppen benannt wurde. Wir sehen den abschließenden Forschungsberichten nach der gelungenen Präsentation mit großem Interesse entgegen und stellen diese auch den Mitarbeitenden in unserem Geschäftskreis für ihre weitere Arbeit zur Verfügung. Auf diese Weise finden nun schon seit Ende 2014 Theorie, Ausbildung und Praxis gewinnend zueinander.“
Professorin Isolde Heintze wird nun mit ihren beiden Projektmitarbeiterinnen Tabea Esche M. A. und Friederike Haubold M. A. die quantitativen Daten aus dem Sozialbericht für die Region Döbeln mit qualitativen Analysen untersetzen und dafür weitere studentische Arbeitsgruppen bilden und betreuen. Darüber hinaus erfolgt die Planung der Fortschreibung des Sozialberichtes für den Landkreis Mittelsachsen.
Weitere Informationen zum Forschungsprojekt inkl. Link zum 1. Sozialbericht