"In der kleinen Welt, in der Kinder leben, gibt es nichts, dass so deutlich von ihnen erkannt und gefühlt wird, als Ungerechtigkeit.“ (Charles Dickens)
Wie die Kinder von heute über finanzielle Ungerechtigkeit denken, zeigte sich bei der letzten Vorlesung der Mittweidaer Kinderuni am Samstag. „Jeder Mensch hat das Gleiche verdient und alle sollten das gleiche Geld bekommen.“ sagte eine der Akademiker in spe. Demgegenüber bemerkte ein weiterer Jungstudent: „Für mich ist es fair, wenn jemand, der mehr arbeitet, auch mehr Lohn bekommt.“
Mit Grimms „Sterntaler“ regte Professorin Isolde Heintze am herbstlichen Samstagvormittag die Kinder zum Diskutieren an. In dem Märchen verschenkt ein armes Waisenmädchen ihr letztes Brot und ihre wenigen Kleider an andere Menschen, damit sie nicht hungern oder frieren müssen. Das Mädchen besitzt danach gar nichts mehr, wird aber für ihre Hilfe mit einer großen Menge Goldtalern belohnt. In dieser Geschichte geht es ums „Arm sein“ und „Reich sein“ und darum, ob man etwas abgeben soll, damit es anderen Menschen besser geht. „Auch in unserer Gesellschaft gibt es arme und reiche Menschen. Die einen haben wenig Geld und können sich einen Kinobesuch oder einen Urlaub gemeinsam mit der Familie nicht leisten. Die anderen haben sehr viel Geld und können sich jeden Wunsch erfüllen“, erklärte die Professorin. An die Kinder gewandt, fragte sie: „Ist es gerecht, dass die einen viel und die anderen zu wenig Geld besitzen?“ „Nein“ sind sich die Kinder einig. „Denn manche Menschen werden für ihre Arbeit schlecht bezahlt oder sie können durch eine Behinderung nicht arbeiten gehen. Ihnen muss geholfen werden.“
Das Schokoladen-Gleichnis
Schon vor Betreten des Hörsaals wurden die Kinder mit einer Aufgabe konfrontiert. Jeder Jungstudent musste seinen Liegestützrekord im Sportunterricht und die Automarke der Eltern nennen. Dementsprechend wurden Schokomünzen an jeden Teilnehmer der Kinderuni ausgegeben. Im Hörsaal mussten dann allerdings wieder 30% „Steuer“ zurückgegeben werden. Wer Geschwister hat, durfte mehr von den „Steuermünzen“ behalten. So lag vor jedem Kind neben Stift und Block eine unterschiedliche Anzahl an Schokomünzen.
Frau Prof. Isolde Heintze löste die Szenerie dann mit einer Frage auf: „Wovon hängt der Lohn denn ab?“ Die Kinder erkannten, dass die Anzahl an Liegestütze, die sie nannten, für die Anstrengung und die Leistung stehen, für die man entlohnt wird. Und die Automarke der Eltern dem entspricht, was man sich von seinem Gehalt leisten kann. Daraufhin erklärte Prof. Heintze, dass die Geschwister für die Familie stünden, wodurch weniger Steuern zu zahlen seien. „Warum müssen Eure Eltern denn überhaupt Steuern zahlen?“, bohrte sie weiter. „Das Geld wird zum Staat gebracht. Damit können Straßen gebaut und Graffitis weggemacht werden. Und Einrichtungen für Kinder können eröffnet werden.“
Die Kinder sollten daraufhin ihr „Netto-Guthaben“ zählen. „Drei Münzen stehen für den Grundbedarf, der jedem Menschen zusteht. Durch die Steuern, die Ihr abgeben musstet und den Familienrabatt, solltet ihr mehr als drei Münzen haben. Sonst steht Euch Unterstützung zu.“ So gab die Professorin eine Münze aus der Steuerkiste an ein Mädchen mit nur zwei Münzen ab. Damit waren alle einverstanden.
Am Ende der Veranstaltung hatten alle Kinder eine grobe Vorstellung von der deutschen Sozialpolitik und stellten gemeinsam fest: „Wer viel Geld hat, kann ruhig etwas an die ärmeren Menschen abgeben. Und wer wenig Geld hat, sollte weniger Steuern zahlen müssen.“ Zum Abschluss wurde aber die Steuerkiste von Frau Prof. Heintze freigegeben und alle Kinder konnten von „Staatshaushalt“ Schokomünzen mit nach Hause nehmen.
Die nächste Kinderuni-Vorlesung zum Thema „Wir sind alle gleich und doch anders“ findet am 24.11.2018, 11 Uhr im Haus 5 statt. (Mehr Informationen zur nächsten Kinderuni-Vorlesung hier)
Text: Lisa Prudnikow
Fotos: Helmut Hammer