Menschen, die mit Handschuhen, Pinzetten, Petrischalen und Probengläsern ausgestattet sich über Leichenteile beugen, die auf einem Feld verteilt sind. Jeder einzelne Fundort ist mit Absperrband markiert. Über der Szenerie schwebt ein unangenehmer Geruch. Was auf dem ersten Augenblick wie die Spurensicherung eines Gewaltverbrechens aussieht, ist so etwas in der Art auch auf den zweiten Blick: Nur sind die Leichenteile Eisbeine von Schweinen, und die Menschen, die sich mit ihnen beschäftigen, wollen erst noch Forensikerinnen und Forensiker werden.
Auf dem Weg dahin gehört die Exkursion an den realitätsnah nachgestellten Tatort zum praktischen Teil im Studiengang „Allgemeine und Digitale Forensik“ an der Hochschule Mittweida, konkret im „Komplexpraktikum Forensische Methoden - Forensische Mikroskopie, Mykologie und Entomologie“. Nach der Theorie zu Pilzen und Insekten und deren ganz spezieller Rolle in der Forensik sowie Versuchen im Labor ist der Einsatz vor Ort der Höhepunkt des Studienmoduls.
Die forensische Entomologie (Insektenkunde) gehört zum allgemein-forensischen Teil des Studiums. Sie hat in den vergangenen Jahren auch in der Öffentlichkeit großes Interesse gewonnen Auf scheinbar magische Weise lassen sich in dieser kriminalbiologischen Teildisziplin Informationen zur Art des Verbrechens und zur Leichenliegezeit anhand von Fliegen oder Käfern ermitteln.
Mit den wissenschaftlichen Grundlagen im Kopf und vertraut mit dem Ablauf solcher Untersuchungen machten sich am 4. Juni 24 Studentinnen und Studenten des 4. Semesters zusammen mit ihren wissenschaftlichen Betreuern Tommy Bergmann, Christina Lucas und Saskia Jeraufke an den präparierten Tatort. Aufgabe war es, die abgelegten „Leichenteile“ zu finden und deren minimale Leichenliegezeit zu bestimmen. Dafür nutzten die Kommiltoninnen und Kommilitonen das akribisch angesammelte Wissen von Experten der Insektenkunde über die Wachstumsraten und das Erscheinungsbild nekrophager Arten (also Arten, die sich von toten Organismen ernähren) unter verschiedenen Umweltbedingungen. Über die Gesamtheit aller gesammelten Insekten und die Wetter-Informationen für die Tage zuvor ließ sich das Zeitfenster berechnen, in dem das „Opfer“ vor Ort abgelegt worden war.
Dieses Vorgehen ist vor Gericht anerkannt und wird mittlerweile auch in Deutschland immer öfter angewendet, vor allem bei undurchsichtigen Tatortbedingungen.
Eine Besonderheit der diesjährigen Exkursion war die Simulation verschiedener Ablagebedingungen, um die Genauigkeit der Methode zukünftig zu verbessern. Es sollte gezeigt werden, welchen Einfluss das Vergraben, das Aufhängen oder das Eintüten auf die Besiedlungszeiträume der informationsgebenden Insektenarten hat. Darüber hinaus unterstützten in diesem Jahr erstmals die Studentinnen und Studenten des Komplexpraktikums Forensische Fotografie ihre Kommilitoninnen und Kommilitonen und machten Übersichts-, Teilübersichts- und Detailaufnahmen des Tatorts und der Fundstücke.
Vom „Tatort“ aus ging es anschließend mit den gesammelten Proben zurück ins Labor für die mikroskopischen Analyse.
Gut kombiniert: Forensik studieren in Mittweida
Der Mittweidaer Studiengang "Allgemeine und Digitale Forensik" kombiniert deutschlandweit einmalig alle Felder der Informatik im Umfeld der Forensik – befasst sich sowohl mit Cybercrime als auch mit Daten, die bei „klassischen“ Verbrechen entstehen. Deshalb sind auch, wie am Beispiel oben gezeigt, die allgemeine Forensik und die klassische Tatortarbeit Gegenstände des Studiengangs: neben der forensischen Entomologie auch Methoden wie der genetische Fingerabdruck, die Gesichts- und Spracherkennung sowie die Auswertung toxikologischer und ballistischer Befunde. In allen Fällen entstehen Daten. Die Absolventinnen und Absolventen beherrschen die Methoden und Verfahren, diese Daten für eine mögliche Strafverfolgung zu erheben, zu sichern und auszuwerten. Dazu vermittelt der Studiengang umfangreiche Informatikkenntnisse.
Weitere Informationen zum Studiengang unter: www.forensik-studieren.de
Text: Tommy Bergmann/Helmut Hammer
Fotos: Fakultät