Nur selten sind sich Bildungsexperten, Politiker, Lehrer und Schüler bei einer Sache einig. Wenn es aber um den Einsatz von Computern, Tablets und Smartphones im Unterricht geht, scheint es keine zwei Meinungen mehr zu geben. Der Unterricht an deutschen Schulen – und nicht nur dort – soll in Zukunft vor allem eines werden: digitaler. Fünf Milliarden fließen in den kommenden Jahren aus Bundesmitteln über den sogenannten Digitalpakt in die technische Infrastruktur der Schulen.
Ob das eine gute Idee ist und wie digitale Medien den Unterricht besser machen können, darüber diskutierten beim Dialog Kontrovers am 5. Juni Hans-Werner Wollersheim, Professor für Allgemeine Pädagogik an der Universität Leipzig, Ralf Lankau, Professor für Mediengestaltung und ‑theorie an der Hochschule Offenburg, und Volker Tolkmitt, Prorektor für Bildung an der Hochschule Mittweida.
Werner Wollersheim hob zu Beginn der Diskussion die Chancen der Digitalisierung im Bildungswesen hervor. Vor allem durch digitale Unterstützungssysteme könnten in Zukunft „passgenaue Aufgaben vorgeschlagen und deren Bearbeitung individuell begleitet werden“. Der Lehrer werde dadurch nicht überflüssig, sondern erhielte die Zeit und den Freiraum, die ihm im aktuellen System oft für die pädagogische Arbeit fehlten.
Ralf Lankau, studierter Kunstpädagoge und Autor des 2017 erschienenen Buchs Kein Mensch lernt digital hielt dagegen: Er kritisierte vor allem, dass für das Lernen mit digitalen Medien immer mehr Daten der Schüler erhoben werden müssten. Solange diese Daten an den Schulen verblieben, sei das zwar hinnehmbar. IT-Unternehmen, die im Bildungsmarkt aktiv sind, hätten aber ein großes Interesse, Zugriff auf diese Daten zu erhalten. Die immer stärker werdenden Tendenzen im Bildungswesen, Schulen nach den Regeln der Betriebswirtschaft zu organisieren, bezeichnete er als Irrweg.
Dem widersprach der Mittweidaer Prorektor Volker Tolkmitt: Der studierte Volkswirt betonte, gerade weil es um die Zukunft unserer Kinder gehe, müsse man nach ökonomischen Prinzipien handeln. Er warb für eine effiziente Ausgabenpolitik, weil auch die Bildung mit begrenzten finanziellen Mitteln auskommen müsse. Wenn sich aus der Digitalisierung Chancen ergäben, Lernprozesse effizienter zu gestalten, sollten diese auch genutzt werden.
Einig war man sich auf dem Podium darüber, dass mit der bloßen Bereitstellung von Technik noch nichts gewonnen sei. Ohne gute pädagogische Konzepte und eine Integration in den Unterrichtsalltag, verpuffe ein Investitionsprogramm wie der Digitalpakt.
Abschluss der Reihe Dialog Kontrovers am Mittwoch nächste Woche, dem 26. Juni,
mit dem Thema "Digitale Lösungen für das Leben auf dem Land"
Die hohe Attraktivität ländlicher Räume als Gewerbe-, Wohn und Freizeitstandorte dürfte ebenso unumstritten sein wie ihre besonderen Herausforderungen, vor denen alle politischen Akteure stehen, um den infrastrukturellen Wandel zu gestalten und die Teilhabechancen der Menschen dort in der Gesellschaft zu sichern. In dieser Diskussion spielt Digitalisierung eine entscheidende Rolle. Die gegenwärtig massiven Investitionen in den Breitbandausbau in der Fläche sind ein beredtes Zeugnis dafür. Stabile und belastbare Internetverbindungen gehören zu den grundlegenden Voraussetzungen für viele Aktivitäten von Unternehmen, Verwaltungen, Vereinen und Haushalten. Diese Hardware erfordert enorme volkswirtschaftliche Investition, trägt aber erheblich dazu bei, Standortnachteile zu verringern. Darüber hinaus geht es aber um die Herausforderung, Infrastrukturprobleme und Erreichbarkeit abgelegener Gebiete mit digitalen Lösungen anzugehen. Neben vielen positiven Erfahrungen mit digitalen Lösungen z.B. im Bereich intelligenter/smarter Mobilitätskonzepte, mit Blended Learning-Modellen und der Telemedizin bleibt allerdings auch eine Reihe von Fragen offen: Werden dadurch Angebote ersetzt oder werden (zumindest in einem Übergangszeitraum) eher zusätzliche Angebotsstrukturen geschaffen? Führt Digitalisierung tatsächlich zu einer Verringerung von Mobilität und rücken zentrenferne Gebiete näher heran? Führt Digitalisierung tatsächlich zur Dezentralisierung oder nimmt die Zentralisierung sogar noch zu? Bereits jetzt zeichnet sich ab, dass die Digitalisierung neue Kooperationen, neue Qualifikationen und stets neue Anpassungsleistungen erfordert. Kann dies und wie geleistet werden? Und was muss getan werden, um auch analoge Anknüpfungspunkte zu festigen oder entstehen zu lassen?
Es diskutieren am 26. Juni im Studio B der Hochschule Mittweida Ljubica Nikolic, Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Soziologie Ländlicher Räume der Georg-August-Universität Göttingen, Prof. Dr. Joachim Ragnitz, Stellvertretender Leiter der Niederlassung Dresden des ifo Instituts, und Staatssekretär Stefan Brangs, Beauftragter der Sächsischen Staatsregierung für Digitales im Sächsischen Staatsministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr.
Zeit und Ort:Mittwoch, 26. Juni, von 18:15 bis 20:15 Uhr im Studio B, Grunert-de-Jácome-Bau der Hochschule Mittweida (Am Schwanenteich 4b, barrierefrei zugänglich). Die Plätze im Studio B sind begrenzt. Alle Veranstaltungen sind aber auch im Live-Stream zu verfolgen auf „Kanal EINS – Hochschule Mittweida Aktuell“.
Bitte beachten: In dieser Woche (KW25) ist entgegen des sonstigen 14-Tage-Rhythmus kein Dialog Kontrovers. Die letzte Veranstaltung der Reihe in diesem Semester findet am 26. Juni statt, dies nicht wie ursprünglich angekündigt auf der Landesgartenschau Frankenberg, sondern wie gewohnt im Studio B der Hochschule Mittweida.
Alle Termine, Themen und weitere Informationen sowie Links zu den Aufzeichnungen finden sich stets aktuell hier: www.hs-mittweida.de/dialog-kontrovers